Montag, 1. Dezember 2008

Aussprechen.
Das, was stört.
Das, was schmerzt.
Das, was viel zu lange im Kopf und im Herzen bleibt.

Aber stattdessen bleibe ich still. Zuerst, weil ich den Grund nicht richtig zu fassen kriege, weil sich das Gefühl schlecht in Worte packen lässt, weil sich der Schmerz nur langsam und diffus in meinem Innern breit macht. Und dann ist es plötzlich zu spät. Denn wie sieht es aus, wenn ich Wochen später mit einem lächerlich kleinen Vorwurf ankomme, der durch das Aussprechen zu einem Grundsatzproblem wird, das dem Anlass gegenüber in keinem Verhältnis steht. Scheiße sieht das aus. Ganz genau.

Variante 1: Problem schneller erkennen, früher aussprechen, diskutieren, abhaken.

Problem: Unfähig zu jedem einzelnen Punkt von Variante 1. Hat sich somit erledigt.

Variante 2: Aufgeben. Alles so lassen wie es ist. Groll in mich hineinfressen. Beziehungen wegen kleinkarierter Korinthenkackerei beenden oder zumindest über Wochen auf Eis legen.

Problem: Keins. Ausser dem Wissen, dass es die falsche Variante ist. Die dumme, kindische, beleidigte, unreife, konfliktunfähige Variante.


 

Sonntag, 30. November 2008



Helmut Newton: Fired


Modefotos aus den 60er und 70er Jahren. Naja.

Dafür ist das gesamte Erdgeschoss der Helmut Newton Foundation ein Schrein für die Anhänger des Meisters, mit einer Mischung aus persönlichen und offiziellen Dingen. Faxe, Briefe, seine Kameras, Accessoires seiner Fotosessions, hunderte von Artikel, massenhaft Bilder und schließlich die Kondelenzschreiben, die seine Frau anlässlich seines Todes im Jahr 2004 erhielt. Schön & traurig.

Auf gar keinen Fall verpassen sollte man den Dokumentarfilm "June Newton uncensored", der im 1. Stock gezeigt wird, in dem die wunderbare Ehefrau eine Stunde lang über ihren Mann, über sich, seine Bilder, seine Kunst, seine Ideen, seine Kreativität und die Arbeit mit den Models erzählt und viele kleine Anekdoten preisgibt.

Hach, schön. Danke für den Tipp, Miss Monolog!

Helmut Newton Foundation
Jebensstr. 2
30.11.2008 - 17.05.2009


 

Samstag, 29. November 2008

She's got soul my lady
Likes to crawl my lady
All around the floor on her hands and knees
Oh because she likes to please me
(AC/DC - She's got balls)

2008 ist anders. In jeder Hinsicht. Deswegen treibt mich die Neugierde von Zeit zu Zeit wieder in die einschlägigen Communities, wo ich mit alten Bekannten plaudere und mir erzählen lasse, was in den letzten Jahren passiert ist. Ich höre mir an, wer mit wem zusammen ist und wer sich getrennt hat und habe es im selben Augenblick schon wieder vergessen. Befremdet stehe ich am Rand und sehe dem bunten Treiben zu. Ein bisschen wehmütig, ein bisschen neidisch, ein bisschen geringschätzig. Dann drehe ich mich wieder weg und mache mit meinem normalen Leben weiter, das mir in den letzten Monaten unzählig viele Glücksmomente beschert hat, die mit dem ganzen SM-Zirkus nichts zu tun hatten.

In dieser Stimmung kommt der Philosoph daher und beginnt die Konversation im Chat mit einem Kompliment, dem ich nicht widerstehen kann. Warum sollte ich auch. Er ist intelligent, eloquent, beherrschend, stark, intensiv. "Schreib schneller!", tippt er in unser Dialogfenster. "Beende die anderen Gespräche." Ich grinse mit klopfendem Herzen in mich hinein und beende tatsächlich die anderen Gespräche. Er gefällt mir. Nicht, weil er diesen herrischen Tonfall anschlägt, sondern weil er halten kann, was seine fordernde Art verspricht. Intensität. Er knickt nicht ein, auch später nicht, auch nicht am Telefon. Er gibt in anderer Form zurück, was er von mir verlangt und innerhalb kürzester Zeit hat er mich am Haken. In jedem Moment, in dem ich zu Schwanken beginne, in dem ich mich frage, ob wir nicht zu weit gehen, ob ich nicht zu weit gehe, stellt er mich vor die Wahl: "Du kannst jederzeit gehen, es ist deine freie Entscheidung." Er merkt, dass ich keine Stellung beziehen will und beharrt genau deswegen darauf. Es kostet mich unendlich viel Kraft, zu meiner Leidenschaft zu stehen, zu dem, was für mich Reiz und Erregung ausmacht. Ich sitze da, wie vom Donner gerührt, denn er trifft einen Nerv in meinem Innersten, der mir durch Mark und Bein geht, der mir den Himmel auf Erden zu versprechen scheint. Und ich antworte, sage, dass ich es genau so will, übernehme die Verantwortung und bin für einen Moment unsicher, ob ich es nicht zum ersten Mal ehrlich meine.

Er ist hart, extrem und bedient sich einer Konsequenz, die mich Erschaudern lässt und mir die Tränen in die Augen treibt. Er nimmt mich bei der Hand und führt mich an der Grenze des Abgrunds entlang, lässt mich in die Tiefe hinab sehen, erschaudern und für einen Moment demütig zurückweichen. Manchmal, wenn ihm danach ist oder auch nur, um mir zu zeigen wie ernst er es meint, lässt er meine Hand los und mich ins Bodenlose stürzen. Er tut mir weh und ich liege zusammengekrümmt in meinem Bett und warte darauf, dass ich aus diesem Alptraum erwache, der in Wirklichkeit kein Traum ist. Irgendwann kehrt er zurück, in einem Moment, in dem mir die Hoffnung schon entglitten ist, in dem ich Kampfeslust, Wut, Hass und Enttäuschung längst aufgegeben habe. Er kommt und sagt nur: "Steh auf, es geht weiter. Das musst du aushalten können." Ich stehe auf und merke, dass ich es tatsächlich aushalten kann und meine wackligen Beine mich immer noch tragen. Und er ist wieder da, ja, er ist wirklich wieder da, aber mein aufgewühltes Herztoben behalte ich für mich, damit er sich nicht in vollkommener Gewissheit meiner Zuneigung wiegen kann.

Das gefährliche Spiel geht weiter. Tag für Tag. Mit Höhen und Tiefen, mit Nähe und Distanz, mit Macht und Ohnmacht. Seine scheinbare Willkür weckt meine Aufmerksamkeit, zwingt mich zu voller Konzentration bis alle Nerven zum Zerreißen gespannt sind. Es ist die Mischung aus Zuneigung, Angst, Hingabe, Vertrauen und den langen Gesprächen über Alltägliches, die mich süchtig macht, die mir gut tut, die einen perfekten Gegensatz zum Rest meines Lebens darstellt.

Ich bin ihm dankbar. Für seine Zeit, seine Worte, seinen Ernst, seinen Humor, sein Vertrauen, seine unzähligen SMS. Vielleicht kann ich ihm das irgendwann sagen. Zum Abschied oder so.


 


Für die, die sich gesorgt haben: Es tut mir leid.

Ich habe hier einfach nicht mehr reingeguckt. Sie wissen schon, das Leben und so.


 

Freitag, 24. Oktober 2008

"Das ist doch keine Liebeserklärung, du Dummkopf", lacht die frischverliebte Tatze los, nachdem ich an ihrem Küchentisch eine Inhaltsangabe meiner Email an den Lehrer zusammengestottert habe. "Das ist einfach nur ein süßes Dankeschön, verpackt in mädchenhaften Worten." Ich lassen den Kopf sinken und mein Gefühl schwankt zwischen grenzenloser Erleichterung, sehnsüchtigem Herzklopfen und anhaltender Sorge.

Püh, denke ich später, als ich zu Hause im Bett liege, für mich ist es trotzdem eine Liebeserklärung. Liebeserklärungen sind heikle Angelegenheiten, zumindest dann, wenn nicht schon ein gewisser Punkt an Nähe überschritten ist. Also warte ich auf eine Antwort. Stunde um Stunde. Aber da kommt nichts. Gar nichts.

Nach 48 Stunden sehe ich ihn wieder, mit weichen Knien und etwas verlegen. "Hallo", sagt er lächelnd und reicht mir seine warme und kräftige Hand. Wie immer. Nie macht er überflüssige Worte. Zum Glück kann ich während der Stunde abschalten, alles um mich herum ignorieren und die Gedanken ins Leere laufen lassen. Am Ende fragt er bei der Verabschiedung, wie es mir geht und es kommt mir fast höhnisch vor. Weil ich doch eigentlich vor Anspannung schreien möchte, ihn schütteln und ihm dann erklären, dass man wenigstens ein "danke" zurückschreiben kann, das schon alles gesagt hätte. "Gut", sage ich, während die beleidigte Zurückgewiesene in meinem Innern mir die Anweisung gibt, mich schnellstens umzudrehen und den Raum zu verlassen.

"Mist", schreibt die Tatze in einer Email, nachdem ich ihr schriftlich Bericht erstattet habe. "Aber immerhin eine relativ klare (Nicht-)Aussage. Jetzt kannst Du Dich umorientieren!" Wenn das nur so einfach wäre.


 

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Immer wieder sprechen mich meine Kollegen auf meine äußerliche Veränderung an. Was mir am Anfang des Jahres noch unangenehm war, kann ich mittlerweile mit einem gleichgültigen Nicken bejahen. Genau, ich sehe anders aus. Danke. Nächstes Thema. Aber es sind die, die mir nahe stehen, denen vor allem meine innerliche Veränderung ins Auge sticht und die keine großen Worte brauchen, um mir zu zeigen, dass sie sich mit mir darüber freuen.

Dieses andere-neue-alte Leben ist gut. Und bis vor kurzem fühlte es sich einfach nur fantastisch an. Aber jetzt kommt mit einem Mal die Erinnerung mit gewaltigem Wucht auf mich zu und droht, mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Wie schmerzvoll die Gedanken an die Vergangenheit sind. Wie einsam die letzten Jahre waren. Wie vergeudet und überflüssig mein Leben. Erinnerungen, die ich am liebsten ungeschehen machen würde.

Die Frau aus L. ist guter Dinge. "Freuen Sie sich doch über das, was Sie geschafft haben", sagt sie lächelnd, während ich ungeduldig den Kopf schüttele. Ich habe das Gefühl, dass sie nichts von dem versteht, was ich ihr mitzuteilen versuche. "Darum geht es doch gar nicht", versuche ich es erneut und erkläre, mit welchem Schmerz diese Erinnerungen verbunden sind. Vielleicht ist es das Ausmaß und die lange Zeit, die ein Verstehen so schwer machen. Und die damit zusammenhängende Tragik, die es ihr unmöglich macht, meinen Zwiespalt nachzuvollziehen.

Es wird nicht wieder so weit kommen, versuche ich spät am Abend mein aufgebrachtes Inneres zu beruhigen. Du wirst auf dich aufpassen. Aber ich weiß, dass diese Worte trügerisch sind, denn sich selbst zu retten ist schwer. Dass es da draußen keine Hilfe gibt, ist wohl eine der schlimmsten Erfahrungen, die ich in dieser Zeit machen musste. Schließlich kam die Heilung von dort, wo das ganze Übel begonnen hat. In mir drin - aus mir heraus.

"Es war dein Selbsterhaltungstrieb", sagt ein Freund und ich nicke zustimmend. Leider ist auf diesen Trieb kein Verlass, das habe ich in den letzten Jahren zur Genüge erfahren müssen. Hätte ich einen Wunsch frei, würde ich um eine Garantie bitten, dass ich nie wieder Schmerzen darüber empfinde, dass das Leben so ist wie es ist, nie wieder Schmerzen, weil ich so bin wie ich bin.