Freitag, 27. Februar 2009
Wer dich liebt, hält dich aus.
(Annie Leibovitz)
(Annie Leibovitz)
Während ich den Indianerkopf auf Johnny Depps Oberarm anstarre, höre ich den Kolleginnenfreund neben mir etwas murmeln. "Was ist?", schaue ich ihn fragend an. Er wiederholt seine Worte. "Wenn ihr nicht mehr zusammen arbeitet, sehen wir uns nie wieder", sagt er nüchtern und zupft ein Haar von meinem Schal. Ich blicke wieder zu Johnny und wiege leicht den Kopf hin und her. "Nie wieder", flüstere ich dann leise, während ich mich wegdrehe, und muss an all die nie wieders denken, die mich in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten begleiten werden.
"Red' keinen Quatsch", fährt die Kollegin dazwischen und schlingt von hinten ihre Arme um mich. "Wir werden uns gegenseitig zu Parties einladen, Sektfrühstück veranstalten und zusammen Tanzen gehen", sagt sie im Brustton der Überzeugung, aber ich bin nicht sicher, ob ich ihr glauben, ob ich hoffen soll. "Ich mache keine Parties und ich mag keinen Sekt", sage ich schließlich lahm und verlasse dann schnell den Raum.
Später schauen wir lange auf die Fotos von Susan Sontag. Krank, schwach, gezeichnet, aber präsent. Wir stehen zu dritt nebeneinander und schweigen. "Wenn ein Leben zu Ende geht...", sage ich leise und rechts und links von mir spüre ich ihr zaghaftes Nicken. Annie Leibovitz lässt uns teilnehmen an ihren Abschieden, die sie mit der Kamera festgehalten hat. Vielleicht nur für sich selbst, vielleicht für ihre drei kleinen Mädchen, aber ganz sicher nicht für uns. Denn diese Bilder sind so intim, dass man sie gar nicht machen könnte, würde man sich dabei vorstellen, sie für die Allgemeinheit festzuhalten.
Als wir wieder auf den Eingangstufen stehen und der Kolleginnenfreund eine selbstgedrehte Zigarette raucht, sind wir uns einig. "Berührend." Nicht die Stars und Sternchen und schon gar nicht die Präsidenten. Es ist die Familie, die diese Ausstellung ausmacht, die das Leben ausmacht. Nicht der Glitzer, nein, weiß Gott nicht der Glitzer, sondern Glück, Leid, Liebe und Vertrauen.
Wanna see? C/O Berlin, Postfuhramt, Oranienburger Straße/ Tucholskystraße bis 24. Mai 2009 täglich von 11 - 20 Uhr.
Sonntag, 25. Januar 2009
Im Namen der Zartheit,
der Schönheit
und des Wahnsinns.
Eine Reise in eine andere Welt. Für Menschen, die sich verzaubern lassen. Für solche, die Aussergewöhnliches mögen. Für Liebhaber von Träumen, Zauber, Fantasmus, Ästhetik, Verrücktem. Für solche, die mit großen und staunenden Kinderaugen auf diese Welt blicken können.Was für ein Glück.
Vivien Sommer und Roman Thurau sind das Duo Sonambulo.
(Klickt mal, ist wirklich schick!)
Trance - Der Trip in deinen Kopf
Letzte Vorstellung heute im Saalbau Neukölln um 20.00 Uhr.
Sonntag, 14. Dezember 2008
Ich hab's ja nicht so mit dem ganzen Weihnachtskram. Normalerweise ist Mimi dafür zuständig, mich zum Plätzchen backen zu animieren, mich zu Einkäufen zu inspirieren, Tannengrün in die Wohnung zu bugsieren und mich mit einem Adventskalender zu beglücken. Selbstgebastelt natürlich. Aber weil dieses Jahr ziemlich verkorkst für sie war, lässt sie den kompletten Weihnachtskram ausfallen. Dumm für mich, denn irgendwie war der Mimische Einsatz nicht nur praktisch, sondern auch sehr schön.
Aber: Ich habe würdigen Ersatz gefunden, zumindest was den Kalender angeht. Mein hochgeschätzter Herr Knäckeboot bastelt nämlich schon seit Tagen wie wild an seinem Kalender herum und lässt alle anderen daran teilhaben.
Anleitung ist ganz einfach: Morgens reingucken & grinsen!
Sonntag, 30. November 2008
Helmut Newton: Fired
Modefotos aus den 60er und 70er Jahren. Naja.
Dafür ist das gesamte Erdgeschoss der Helmut Newton Foundation ein Schrein für die Anhänger des Meisters, mit einer Mischung aus persönlichen und offiziellen Dingen. Faxe, Briefe, seine Kameras, Accessoires seiner Fotosessions, hunderte von Artikel, massenhaft Bilder und schließlich die Kondelenzschreiben, die seine Frau anlässlich seines Todes im Jahr 2004 erhielt. Schön & traurig.
Auf gar keinen Fall verpassen sollte man den Dokumentarfilm "June Newton uncensored", der im 1. Stock gezeigt wird, in dem die wunderbare Ehefrau eine Stunde lang über ihren Mann, über sich, seine Bilder, seine Kunst, seine Ideen, seine Kreativität und die Arbeit mit den Models erzählt und viele kleine Anekdoten preisgibt.
Hach, schön. Danke für den Tipp, Miss Monolog!
Helmut Newton Foundation
Jebensstr. 2
30.11.2008 - 17.05.2009
Sonntag, 12. Oktober 2008
Das Ende der Arbeitswoche soll rund sein und sich gut anfühlen. Stattdessen spüre ich unbequeme Ecken und Kanten, die den Tag mühselig und anstrengend machen. Aber ich muss mich mit den Gegebenheiten arrangieren. Weil es nötig ist. Weil es vernünftig ist. Und weil ich weiß, dass dieses ungute Gefühl bald vorbei geht. Immerhin.
Spontan entschließe ich mich, am Nachmittag ein bisschen Enkelkind und ein bisschen Nichte zu sein. Bei Kaffee & Kuchen sollen die Familienrituale als Enegiequelle herhalten. Anschließend geht es hinaus in die laute Nacht. Die Stadt pulsiert vor flirrendem Leben und von Beginn an kann ich nicht Schritt halten. Mit niemandem. Ich sehe die Menschen zu zweit, zu dritt und in Gruppen die Straßen entlang ziehen und ich merke, dass die Zeit des Alleinseins entgültig vorbei ist. Dass ich keine Lust mehr habe, am Wochenende etwas ohne Begleitung zu unternehmen. Dass ich mich mit anderen zusammen am Leben erfreuen will. Auch schon am Freitag.
Innen ist es warm und hell. Aber obwohl mir alles vertraut ist, fühle ich mich fremd und wie auf der Flucht, aufmerksam und angespannt. Ich spüre, dass ich mit dem alten Ich unterwegs bin. Unsicher, verkrampft, traurig. Dem Ich, das ich längst begraben wollte. Auf Nimmerwiedersehen. Die zufälligen Begegnungen sind kurze, aber schmerzliche Momente mit Unbekannten, die mir meine Gefühle spiegeln. Es fühlt sich heute genauso schrecklich an, wie damals. Verdammte Rückblende.
Aber dann ist da die Kunst, wegen der ich gekommen bin. Weil die Neugier größer war, als die Müdigkeit oder die Angst vor dem Alleinsein.
David Hochbaum entführt mich für ein paar Augenblicke in eine Welt, die aus schönen Mädchen, labyrinthischen Städten und vielen schwarzen Vögeln besteht. Am liebsten würde ich mit den Fingern über seine Bilder streichen und die Struktur ergründen, die sich aus Fotos und Öl, aus Tinte und Stoff zusammensetzt. Fliehen. Hineinschlüpfen in diese andere Welt, der man schon ansieht, dass man dort ebenso verloren gehen kann wie hier, sich ebenso verlieren kann wie hier.
Kurz bevor ich gehe, entdecke ich dass mein Lieblingsbild verschwunden ist. Das Bild, das schon bei meinem ersten Besuch meine Aufmerksamkeit weckte. Das Mädchen mit der Fledermaus. Ich hoffe, dass es nur einen Ausflug nach London oder New York macht und dann wieder zurückkehrt, aber ich kann es selbst nicht glauben. Ich will nach Hause. Zuflucht suchen in vertrauter Umgebung. Die heißen Wangen ins kühle Kissen drücken und nichts mehr denken, nichts mehr spüren, sondern nur schlafen und vergessen. Und Kraft schöpfen, für ein aufregendes Wochenende. Die Vorfreude habe ich nicht verloren. Zum Glück.
Wer auch will: Strychnin. Boxhagenerstrasse 36, Berlin-Friedrichshain.
Sonntag, 27. April 2008
Die Gedanken an die Arbeit lassen mich den ganzen Vormittag über nicht los. Es ist ein Hadern mit der Ungerechtigkeit, die mir jetzt schon zu lange widerfährt und der Bauch grummelt ganz gewaltig vor lauter Wut. Aber dann klingelt wie verabredet das Telefon und ich schnappe mir das Rad, um mich mit Marie und dem aktuellem Freund zu treffen. Der Wind pustet kalten Fahrtwind durch den Stoff meiner kurzärmelige Bluse, aber ich brauche das Sommergefühl gegen die dunklen Gedanken. Im Club der Visionäre angekommen, hocke ich mich auf die Planken des schwimmenden Floßes, halte mein Gesicht in die Sonne und lausche halbherzig den Gesprächen über die demnächst anstehende Filmproduktion der Geburtstagsgesellschaft. Aus den eben noch klar klingenden Worten neben mir wird nach kurzer Zeit ein unverständliches Gemurmel. Die Gedanken treiben ziellos umher. Es fühlt sich gut an, wie die warmen Sonnenstrahlen die Haut streicheln und es hört sich gut an, wenn das Wasser Richtung Ewigkeit plätschert. Vor mir gebärdet sich ein aufgeregten Schwan, der mit empört-aufgeplustertem Gefieder wieder und wieder an den Besuchern entlangzieht, als erwarte er, dass sich ein Freiwilliger zum Duell meldet.
Als der Abend kommt, frage ich, ob noch jemand Lust auf eine schwere Schlägerei im Atelier hat, zu der mich freundlicherweise der Herr Schneck eingeladen hat. Marie will mit und der Mann ebenfalls. Sehr gut. Ich bin aufgeregt, denn ich gehe zwar inkognito zum Bilder gucken, aber ich weiß genau, dass dort ein Haufen Blogger sein werden. Aber noch bevor ich wild Herumspähen kann, nehmen mich die Bilder und Collagen gefangen. Es gibt viel zu gucken und ich liebe es, kleine & feine Details zu entdecken, genau Hinschauen zu müssen, weil es zwar das große Ganze, aber auch ganz viele kleine Blickwinkel gibt. Marie schließt sofort ein ganz besonderes Bild in ihr Herz. Es zeigt eine sehr nackte Frau mit gespreizten Beinen und wir überlegen, wo man ein solches Bild hinhängen könnte, wo es passen würde. Der Freund ist der Meinung, dass die Dame ins Schlafzimmer gehört, während Marie findet, dass jedes andere Zimmer geht, nur nicht das Schlafzimmer. Ich plädiere für den Flur, woraufhin sie die Hand vor den Mund schlägt und uns von ihrer Vorstellung der zukünftige Schwiegermutter beim Betreten der Wohnung erzählt. "Vielleicht ist das Schlafzimmer doch nicht die schlechteste Alternative für delikate Kunst", sagt sie und läßt grinsend ihre Hand wieder sinken.
Nach den Bildern schaue ich mir die Menschen an. Fremde. Ich hab keine Ahnung wer Blogger ist und wer nicht. Ob Menschen dabei sind, bei denen ich lese. Ich glaube es nicht. Aber dann sehe ich der Frau Gaga erst beim Fotografieren zu und danach, wie sie einen Gruß im Gästebuch hinterläßt. Eigentlich will ich auch, möchte dem Herrn Schneck einen Teller Buchstabensuppe malen, um ihn zum Lachen zu bringen. Aber es geht nicht, mistmistmist, weil die Begleitung sich neben mich stellt und der Mann den Stift in die Hand nimmt und ein kleines "OH" auf die nächste Seite kritzelt. Ich verkneife mir meine Idee aus Feigheitsgründen. Schade. Aber es hat mir gefallen und das ist wichtiger als meine kleine Eitelkeit, denn so gibt es die Suppe eben ein andermal.
Wer auch gucken mag: SAKAMOTOcontemporary
Bis 7. Juni 2008.
Dienstag, 15. April 2008
Nach Tagen des Alleinseins und ohne das Gefühl der Einsamkeit zu vermissen, überlege ich, ob mir nicht langsam die Worte ausgehen. Ich rede wenig, allein in dieser fremden Stadt, aber Kopf und Verstand veranstalten ganz eigenständig ein heilloses Durcheinander der Gefühle, auch ohne Worte. Um mich herum tobt ein großer lauter Jahrmarkt, der glitzert und funkelt und sich dreht und all seine Verlockungen ins rechte Licht rückt. Unterhaltungen sind rar. Morgens servieren polnische Mädchen Orangensaft und Kaffee und mehr als ein "More?" und ein "No, thank you" gibt der Wortwechsel nicht her, da keine von ihnen Englisch spricht. Auch die übrigen Gespräche sind sehr kurz: eine Frage von mir, eine Antwort vom fremden Gegenüber und jeder geht seiner Wege.
Aber dann ist es soweit. Ich besuche etwas Vertrautes, etwas, das ich schon aus der Heimat kenne und es ist ein Gefühl zwischen spannungsvoller Erwartung, Vorfreude und Angst, weil dort hoffentlich nicht nur Schönes, sondern auch ein paar Worte auf mich warten. Als ich in die kleine Seitenstraße einbiege, sehe ich das dunkle Fleckchen schon von Weitem. Stilecht in schwarz, natürlich, wie sollte es auch anders sein. Mein Herz klopft, ich will flüchten, befürchte, dass ich komisch angesehen werde, dass ich störe, dass es einfach nicht passt, dass ich anschliessend enttäuscht sein werde.
Als ich die Tür öffne und die ersten Bilder sehe, bin ich gleich da. Angekommen. Die Ankündigung der Werke hatte ich schon im Internet gesehen, wußte schon, dass sie nicht nach meinem Geschmack sein würden, da zu viel Kitsch. Ich begrüße die Anwesenden und gehe auf ein Mädchen zu, das aussieht wie Emily the Strange. Und kaum haben wir zwei Sätze gewechselt, plappert sie auf deutsch weiter, erzählt und läßt mich reden und wir müssen lachen, als wir feststellen, dass wir uns schon vor ein paar Wochen begegnet sind und dass es da auch noch andere Wege gibt, die sich irgendwie kreuzen.
Nach dieser Überraschung schaue ich mir alles in Ruhe an. Alles ist gut, ich bin glücklich, als die Anspannung von mir abfällt. Die Galerie hat zwei Etagen und unten finde ich dann doch noch ein paar der morbiden Kunstwerke aus dem Kuriositätenkabinett, die mir das Herz erwärmen. Und weil ich nun schon mal da bin und am Freitag, wenn hier die Eröffnung der Werke von David Hochbaum zelebriert wird, schon längst wieder in der Heimat sein werde, darf ich noch ein paar Blicke auf das werfen, was die Besucher hier erwarten wird und es sieht verlockend aus.
"Komm mal mit", sagt Emily the Strange keck, und wir laufen ein Stück zusammen die Straße entlang und sie zeigt mir, wo es in dieser Ecke der Stadt bezahlbaren Kaffee gibt. Wir reden noch ein bisschen über dies und das und ich muss zugeben, dass ich mich Hals über Kopf verliebt habe und gar nicht so recht weiß, wie das eigentlich geschehen ist und was ich jetzt mit diesem Gefühl anstellen soll. Als wir uns verabschieden ist es wie ein kleines Versprechen: "Wir sehen uns ja dann in Berlin", sagt Emily und ich nicke und winke zum Gruß und schaue ihr hinterher, wie sie zwischen den Menschen verschwindet und ich dort stehe, mit meinem Pappbecher in der Hand und sich alles so gut anfühlt.
Montag, 14. April 2008
My heart will stop beating if I stay here.
This is an emergency! I don’t want to die!
(Elly Genthe)
Aufgeputscht, aber im Zeitlupentempo, bewege ich mich durch die bunte und schnelle Stadt und stille die Sehnsucht nach Leben. Anstatt Sauerstoff atme ich Kunst. Stunde um Stunde, mehr und mehr. Ich kann gar nicht genug bekommen. Das Schöne und Schmutzige gibt es dort im großzügigen Angebot, auch wenn manche Orte versteckt sind, durch Zufall entdeckt, weitab vom Touristenstrom, scheinen sie mir nur umso wertvoller zu sein. Mein eigenes Treiben am Tag macht mich süchtig und verdreht mir den Kopf und nachts huschen die Menschen aus Fotos und Bildern entsprungen durch meine Träume. Ich treibe mich an Orten herum, die ich noch bei Tageslicht mit schiefgelegtem Kopf in Ausstellungen betrachtet habe. Durcheinander.
Dann ist plötzlich alles anders. Es regnet zum ersten Mal seit meiner Ankunft, der Himmel ist mit dunklen Wolken verhangen und für einen Moment scheint die Welt sich einen Schabernack erlauben zu wollen und spielt Untergang. Life before death, lese ich auf einem Plakat bei meiner Flucht in die nächste U-Bahnstation, an exhibition about dying. Die Tagesplanung wird verworfen, weil ich diese Ausstellung sehen muss. Ich erwarte Porträts von Menschen, die bald sterben werden. Ich bekomme viel mehr.
Als ich den Raum betrete, sehe ich die ersten Bilder dort hängen, groß und intensiv in tiefem schwarz/weiß, paarweise aufgehängt. Ich trete näher, sehe, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, einmal lebendig, einmal tot. Langsam trete ich an das erste Bilderpaar heran und weiß nicht recht, was ich zuerst tun soll. Erst die Bilder ansehen und dann den Text lesen oder umgekehrt. Ich entscheide mich für die Bilder, sehe dann, dass auch die Daten der Fotoaufnahmen vermerkt sind. Zwischen beiden Aufnahmen liegt nur wenig Zeit. Manchmal ein paar Wochen, manchmal nur ein Tag.
Die Sterbenden blicken ernst. Selten huscht ein kaum wahrnehmbares Lächeln über ihre Züge. In diesen Momentaufnahmen sieht man mehr Leben als Tod, auch wenn er ganz nah ist. Im Tod sehen sie alle entspannt aus. Ruhig. Und beruhigend. Die Intimität dieser Bilder lässt mich schwer schlucken, aber es sind die Texte, die mich zum Weinen bringen. Wenige Worte, die das Leben beschreiben. Und das Sterben. Beides zusammen wird zu einer berührenden Komposition, die mich an die Grenze dessen bringt, was ich aushalten kann.
Ich muss einen Schritt zurückgehen und mich setzen. Durchatmen. Es sind nicht nur die Fremden, die bewegen, es sind auch die eigenen Erinnerungen, die mich überwältigen. Mein Kinderfreund, der mit 13 Jahren an Aids gestorben ist, der mich in Gedanken durch mein Leben begleitet. Meine Tante, die im Tod so friedlich aussah, trotzdem sie so ein verdammtes Scheißleben hinter sich hatte. Meine Oma, die in einem der Hospize gestorben ist, in denen die Fotos entstanden sind.
An etwas Schönes denken, um das Sterben zu ertragen. Aber meine Gedanken wollen mir nicht gehorchen und treiben mich durch einen einzigartigen Film, in dem Sterbende und Tote die Hauptrollen spielen. Emotionen im Überfluss. Ich bin so dankbar, dass es Menschen gibt, die mutig sind und etwas riskieren, Künstler und Porträtierte und Andere teilhaben lassen, an dem was sie schaffen.
Fotos: Walter Schels
Texte: Beate Lakotta
Fotografien und Texte: Life Before Death
Artikel über Schels und Lakotta aus The Guardian: This is the end
Sonntag, 23. März 2008
Dummes Zeug kann man viel reden
Kann es auch schreiben.
Wird weder Leib noch Seele töten.
Es wird alles beim Alten bleiben.
(Goethe. Faust)
Nach acht Stunden Theater bin ich müde und erschöpft. Im Auto lasse ich mich in die Polster sinken, die Wange an die kalte Scheibe gepresst. Die Gedanken ziehen in Schwaden vorüber. Erinnerungsfetzen. "Weißt du noch, als wir zusammen Faust angesehen haben?", fragte mein Vater neulich mit schelmischem Grinsen. "Danach meintest du, dass Goethe ja auffallend viele Sprichworte in sein Stück eingebaut hätte", erzählt er weiter, beginnt laut zu lachen und zieht mich in seine Arme. Ein Stück Vergangenheit.
Gesagt oder geschrieben, was nützt schon das Reden und Schreiben, auch wenn die Sätze schön und ergreifend klingen. Es sind und bleiben Worte, aneinandergereihte Buchstaben, die so lange inhaltslos bleiben, bis sie mit Taten gefüllt werden. Erst dann bekommen sie einen Sinn, erst dann werden sie lebendig, wertvoll und können sich einen Platz in der Erinnerung sichern. Ich gebe mir Mühe, Tag für Tag. Aber zwischendurch muss Zeit zum Ausruhen bleiben, Zeit für viel dummes Zeug, geredet wie geschrieben.
Samstag, 23. Februar 2008
I don't know what to do with myself
movies only make me sad
parties make me feel as bad
(The White Stripes. I just don't know what to do with myself)
Am letzten Wochenden habe ich keinen Fuß vor die Tür gesetzt. Obwohl ich weiß, wie schlecht mir das Alleinsein auf Dauer bekommt, kann ich nicht ständig andere anbetteln, sich doch bittebitte mit mir zu treffen. Aber dieses Wochenende muss ich raus, Nachtluft & Sonnenschein, Geplapper & Kultur für die Seele. Also soll die Lieblings-M. für den Freitag herhalten und mit mir in den wilden Osten ziehen. Aber dann schickt sie doch noch eine SMS, dass sie keine Bilder mit mir gucken und keine Cocktails trinken kann, sondern lieber zum Freund nach weitweg fahren will. Na schön, denke ich, dann gehe ich eben alleine und schmolle in mich hinein, aber immerhin mit dem festen Willen mich aufzuraffen und mutig zu sein. Für mich.
Am Nachmittag, nach drei (milde geschätzt!) mittelschweren Depressionen beim Hosenkauf, beschließe ich: ich gehe doch nicht. Und es fällt mir gar nicht schwer eine lange Liste mit Gründen zu füllen, die meine Entscheidung logisch begründen. Zu Hause genieße ich die Stille, esse, färbe mir die Haare, dusche, entferne die anderen Haare, dufte, ziehe mich schwarz an, schminke mich. Ok, ich gehe doch. Und plötzlich scheine die Welt auf Wolken zu schweben, meine Schritte sind leicht und auf dem Weg erblicke ich auch schon das Motto des Abends:
Drinnen ist es warm und hell, Klaus Nomi schaut mich aus allen Ecken des Zimmers an und die Besucher sind genau richtig und schauen mich nicht an, jedenfalls nicht komisch oder hämisch oder sonstwie arrogant. Mein Blick bleibt an einem Bild von Zaelia Bishop hängen, das den Titel Klaus Nomi as a fortune-telling machine trägt und ich muss an das Orakel und seine Prophezeiung denken und alles fühlt sich fast schon zu richtig an in diesem Moment. Das Bier ist kalt, die Menschen bunter als erwartet, die Musik dreht sich in meinem Kopf und ich habe nicht einmal den kleinsten Fluchtgedanken. Mein Herz schlägt schnell und glücklich und dann frage ich mutig nach einer Frau, der ich etwas ausrichten soll, werde an der Hand genommen und zu ihr geführt. Zuckerwatte.
Später entdecke ich in einem anderen Raum viele kleine Kunstwerke, die einen ganz zart und dunkel, die anderen pastellig bunt, die sich so gut anfühlen, jedes für sich, weil sie hier hängen um mich glücklich zu machen. Das Hexlein samt der Mädchen würde ich am liebsten sofort adoptieren. Die weiße Unschuld und das schwarze Wissen scheinen seltsam in ihrer Kombination, aber seltsam sein ist heute abend ganz ok und gar nicht komisch.
And the most lovely Yasha says hi & thanks & a lot more to and about him.