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Mittwoch, 23. April 2008
Ich habe keine Ahnung, was da gerade passiert. Herzrandale vom Feinsten. Den Grund dafür kenne ich nicht so genau und ich mag ihn auch gar nicht näher kennenlernen. Bloß nicht den Zauber des Augenblicks verjagen, bloß nicht den Bann brechen, den sich mein Kopf oder mein Herz oder beides so lockerflockig zusammengezimmert haben.
Noch vor wenigen Wochen saß ich zu Hause und es war klar, dass mein Leben immer so weitergehen würde. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Und dann entscheide ich mich in einer leichtsinnigen Minute einfach nur für das richtige Leben und es bricht mit einer Intensität über mich herein, dass ich in die Knie gehen muss, um der Wucht standhalten zu können. Gerade das Herz, ständig so voller Traurigkeit, scheint mir ins Ohr zu krakeelen Arsch lecken, Alte, heul doch! und in jaulendes Gelächter auszubrechen.
Mein ganzer Körper schmerzt durch die anhaltende Anspannung des dreitägigen Gefühlsfrühlings. Der Feierabend nährt sich, aber auch die mehrtägige Pause, bis ich ihn wiedersehe. "Was haste denn da in der Hand?", will er wissen, als ich aufstehe. "Na meine Voodoopuppe, also pass lieber auf", gebe ich verschmitzt zurück und er krümmt sich zusammen, greift sich an sein Herz und wir müssen schon wieder lachen. "Also dann", sage ich schnell, meine Verlegenheit überspielend, und hebe die Hand. "Bis nächste Woche", gibt er lächelnd zurück und ganz leise, so dass ich es kaum höre "falls wir uns nicht vorher noch sehen".
So. Jetzt wieder beruhigen. Vier Tage Pause. Zeit, die dringend nötig ist, weil die Gedanken um nicht viel mehr als puren Wahnsinn kreiseln. Dabei sollte ich noch ein bisschen über die Gruppe nachdenken, über den scheußlichen Sonntag oder sonst irgendwas, das mich davon abhält, dass Herz und Kopf weitergehende Verhandlungen führen.
Dienstag, 22. April 2008
Nach dem vermaledeiten Sonntag strahlt der Montagshimmel goldschimmerndes Glück auf mich herab. Die Rückkehr zurück in die Anstalt ist schwer, die vergangene Nacht fast schlaflos, aber ich werde mit einem warmen Willkommensgruß zurückerwartet, mit Blumen, Umarmungen und freundlichen Worten. Der Lieblingskollege grüßt ein wenig distanziert in die Runde und erkundigt sich erst in der Teeküche, ob denn der Freitag auch wirklich gefallen habe. Natürlich. Später grinst er mir verschmitzt zu und wirft im Vorbeigehen einen Zettel auf meinen Tisch. "Ich gehe nur hin, wenn du auch hingehst." Freikarten für ein Konzert. Natürlich will ich. "Heute? Hahaha, ok."
Es ist unser zweites Konzert, unser drittes Treffen insgesamt und unsere erste Verabredung allein. Ist ja auch nichts dabei, eine Verabredung die spontan und zufällig ist, weil wir beide gerade Zeit haben. Vor der Konzerthalle stellen wir peinlich berührt fest, dass wir die Ältesten sind. Erst will er lieber wieder gehen, dann will ich lieber wieder gehen und dann grinsen wir über die jugendliche Uncoolness im "Abi 2008"-Shirt und kaufen uns ein Bier. Ich lerne ihn kennen, mit jedem Treffen ein bisschen mehr und es gefällt mir, wie er über seine Freunde spricht, über seine Exfreundin, über seinen kleinen Sohn. Details aus dem Leben, die eine Verbindung schaffen, die über die Arbeit hinaus geht und so etwas wie den Beginn einer Freundschaft entstehen läßt. Persönliches, das wir uns in der Anstalt nicht erzählt hätten, weil es dort keine Zeit und keinen Platz dafür gibt.
Die Vorband spielt. Bei jedem Wortwechsel beugen wir uns zueinander. Unsere Jacken berühren sich. Schwarz und grün, Ärmel an Ärmel. Ich fasse ihn an der Schulter, als ich ihm etwas ins Ohr sage und ich lächle ihm ins Gesicht. Am liebsten würde ich ihn einfach fest drücken oder ihm durchs Haar streichen oder kurz seine Hand in meine nehmen. Aber ich weiß, dass das zuviel wäre und suche stattdessen nur seinen Blick und sage ihm mit den Augen, dass ich es wunderschön finde, auch wenn die Musik scheiße und das Publikum zu jung ist.
Zum Abschied stehen wir nebeneinander, die Fahrräder zwischen uns. "Bis Morgen", sage ich, "Tschüss", sagt er und beugt sich dann vor, um mich kurz an sich zu drücken. Ich sehe ihm hinterher und er dreht sich noch einmal herum, mit seinem breiten Lächeln und seinem zerzausten Wuschelkopf.
Montag, 21. April 2008
Puh. Gar nicht gut.
Samstag, 19. April 2008
Nach Monaten, in denen ich immer wieder halbherzige Ausreden erfand, um die Verabredung doch nicht stattfinden lassen zu müssen, gab es gestern keinen Grund mehr, den ich noch hätte vorschieben können. Und so finde ich mich in einer fremden Wohnung wieder, gegenüber eines Mannes der ein Lächeln besitzt, das mich ihn als Mann und nicht nur als Mensch wahrnehmen lässt. Dieses Gefühl ist ungewohnt, aber es fühlt sich richtig an. Vielleicht, weil es bald wieder an der Zeit ist. Vielleicht. Hoffentlich. Und dann nimmt mich der Lieblingskollege nach drei Wochen Urlaubspause zur Begrüßung in den Arm. Schön dich zu sehen. Ja wirklich, es ist sehr schön. Sehr, sehr schön.
Die Gesprächsthemen fliegen uns zu und ich fühle mich gut mit den beiden, nicht fremd und auch nicht unsicher und ich wundere mich über mich selbst. Mittlerweile ist mir das Gefühl des Passens und Gut-Fühlens schon mehrmals begegnet und es gefällt mir immer besser. Vielleicht liegt es ja auch ein bisschen an mir und daran, dass auch ich in der Lage bin, solche stimmigen, guten Situationen zu erzeugen. Vielleicht. Hoffentlich.
Dann kommt der Vierte, der schnell noch die Reste essen muss und endlich geht es los. Wir kickern und trinken Bier und lachen und giggeln und spielen und prusten, weil der Vierte gar nicht mehr aufhören kann und eine Mischung zwischen Sesamstraßen-Ernie und irgendeinem durchgedrehten Freak zum Besten gibt. Nach vier Stunden tun mir die Hände und der Rücken weh, aber noch viel mehr schmerzen die Wangen und der Bauch vom Dauergrinsen. Ich spüre in meinem Körper die plötzliche Erschöpfung. Es ist die Müdigkeit, die auf eine Verausgabung folgt, die kein bisschen anstrengend war, sondern aus einem über Stunden andauernden Adrenalinkick rührt.
Als ich in der U-Bahn sitze überlege ich, ob es aufdringlich ist, dem Kollegen noch eine SMS zu schicken, aber schon beim Gedanken an das, was ich schreiben will, muss ich losgrinsen und wische alle Zweifel weg, um keine dreißig Sekunden später seine Antwort zu erhalten und gleich darauf schon wieder Loszulachen, weil es ein perfektes Schlußwort für diesen großartigen Abend ist.
Ich glaube, ich verliebe mich einfach in Situationen, anstatt in Menschen.
Freitag, 18. April 2008
Es gibt Erlebnisse, die sind einfach zu peinlich um darüber zu bloggen. Was geschehen ist, kann ich nicht mehr aus meinem Kopf verscheuchen, denn das räudige Vieh hat einen enormen Rattenschwanz am Hinterteil.
Was tun, was tun? Irgendwas jedenfalls. Eine Konsequenz oder so. Dummerweise gibt es nur eine Lösung für das Problem und ich weiß genau, was zu tun ist. Aber dafür brauche ich googolplex viel Kraft, besonders weil ich ehrenamtlicher Angsthase mit Auszeichnung bin.
(Wenn es doch wenigstens um Sex ginge...)
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