Mittwoch, 20. August 2008



"Sag mal...", sagt die Geschwätzige in der Anstalt gedehnt, "ich frage mich die ganze Zeit, ob du was mit dem Ex-Kollegen hast?" Rums. Ich bin wie vom Donner gerührt. Dann lache ich ein glockenhelles Unschuldslachen und demonstriere mit übertriebener Geste, wie absurd allein die Vorstellung ist. "Ich dachte ja nur", schiebt sie beschwichtigend hinterher, "weil du dich in den letzten Monaten so verändert hast." Ich drehe mich weg, peinlich berührt und tue so als wäre ich beschäftigt.

Mindestens drei Wochen habe ich ihn nicht gesehen. Gründe dafür gab es genug: sein Urlaub, ein von ihm abgesagter Kickerabend, meine Unlust ihn zu treffen. Irgendwie schien die Luft raus. Aber die Unterstellung der Geschwätzigen animiert mich zu einer Petze-Mail. Jetzt, wo ich nichts mehr von ihm will, kann ich alles riskieren. Als Reaktion erwarte ich, dass er mein Schreiben entweder ignoriert oder antwortet, wie völlig absurd die Vorstellung sei. Beide Reaktionen würden mich treffen, würden mir den Tag vermiesen. Aber ich kann es nicht lassen. Bald darauf kommt seine Antwort und ich muss kurz auflachen, um dann still in mich hinein zu grinsen. Ich bin froh und dankbar, dass er mich nicht durch unbedachte Worte verletzt hat, auch wenn ich es unvorsichtigerweise herausgefordert habe.

Später, als ich ihn anrufe, meldet er sich mit einem schelmischen "Ah, meine Ehefrau". Ich verschlucke mich vor Überraschung, huste und lache gleichzeitig und bin vollkommen perplex. Er ist albern und witzig, wie ich ihn vorher nie erlebt habe. Dann will er wissen, was ich so treibe, aber ich stammele nur irgendwelches Blahblah zusammen, weil mein Kopf leergefegt ist. Dafür erzählt er umso mehr. Vom Urlaub an der Ostsee, von Herrn Baby und seiner neuen Kita, von der beruflichen Entwicklung und dem aktuellen Stand mit dem Arbeitsamt. Sachen, die man sich halt so erzählt.

"Er ist zu stoffelig für Sie", versuchte es die Frau aus L. vor ein paar Wochen diplomatisch auszudrücken. Heute erinnere ich mich an ihre Worte. Sie hat recht, das weiß ich. Aber an Tagen wie diesem mag ich dieses unbeholfen Unpassende. Leider kann ich mit Emotionsamputierten nicht glücklich werden, denn der Gefühlsfetisch pocht eindringlich auf Befriedigung.

Aber süß ist er schon. Keine Frage.