Dienstag, 10. Februar 2009
Die Ungeduld breitet sich während weniger Tage in meinem Innern aus, bis sie von einer unangenehm nörgelnden Unzufriedenheit vertrieben wird. Plötzlich ist nichts mehr gut, plötzlich gibt es an allem und jedem etwas auszusetzen. Die Prinzessin will Aufmerksamkeit, Liebesbeweise oder wenigstens eine 300 Gramm Tafel Schokolade. Und zwar sofort. Aber nichts davon ist greifbar, nichts was beruhigt oder tröstet.
Der Fremde ist beschäftigt. Er muss arbeiten, hat Verpflichtungen, Frau, Kind, Freunde. Ich klicke in meine Mailbox, wieder und wieder und hoffe auf ein paar paar Worte die meine Unruhe verscheuchen. Es kommt nichts. Tagelang. Ich beginne mit einem Brief, aber alles klingt unangenehm weinerlich und so verwerfe ich die Sache wieder. Geduld. Geduld. Er wird wiederkommen, wird mich zu sich rufen und in diesem Moment wird jeder Zweifel vergessen sein.
Dafür ist das Beuteschema aus dem Wochenendurlaub mit der Frau zurück und will mich treffen. Aber nicht Dienstag, Mittwoch, Freitag oder Samstag, schreibt er. Das klingt so uncharmant, dass ich keine Lust mehr habe ihn überhaupt wiederzusehen, angeknackst wie ich bin. Meine patzige Antwort quittiert er mit einem Smiley und der Information, dass er sich den Donnerstag für mich freihalten wird. Erbost lösche ich die Mail und bemitleide mich anschließend selbst.
Alles doof. Alles schief. Und Schokolade ist auch nicht im Haus. Da hilft wohl nur schlafen.
Freitag, 9. Januar 2009
Ich konnte die Regeln für Beziehungen nie internalisieren. Wie hält man die nötige Distanz? Wie findet man das rechte Maß an Nähe? Was ist zu viel und was ist zu wenig? Was darf ich fühlen? Was ist übertrieben und wann reicht es nicht aus?
Ich bin immer auf der Hut, ahne grundlos, dass es nicht gutgehen kann, zweifel ständig, ob im nächsten Moment noch alles so ist, wie es im letzten war. Es ist anstrengend. Innerhalb weniger Minuten kann sich mein Herz verfinstern und die Hoffnung in Nichts auflösen. Mit einem Mal steht alles in Frage, was eben noch eine Selbstverständlichkeit war.
Distanz und Nähe - diese vermaledeiten Stolperfallen.
Es gab drei kurze Mails, durchaus herzlich, ganz eindeutig mit einer Erwartung seinerseits (die ich noch nicht erfüllt habe) und einem sehr guten Grund, warum wir uns diese Woche nicht sehen können. Erst scheint alles in Ordnung, fühlt sich alles gut an, freue ich mich und klopft mein Herz aufgrund seiner schönen Worte. Nach ein paar Stunden ist die Sehnsucht erneut da, reichen ein paar liebenswürdige Worte nicht aus, um mich zufrieden zu stellen. Warum hat er nicht angerufen? Warum kann er mich nicht für eine Stunde auf einen Kaffee sehen? Warum hat er nicht einmal nachgefragt, wie es mir danach ergangen ist?
Ich will mehr. Immer mehr und mehr und mehr - wie immer. Und die Angst vor dem "mehr", die Angst ihn gleich wieder zu verschrecken, beherrscht mich so sehr, dass ich keine lockerflockige Mail zustande kriege. Stattdessen mache ich mich klein, halte still, halte aus und versuche, meinem verkrampften Herz gut zuzureden.
Mittwoch, 22. Oktober 2008
Zwei. Ist besser als eins.
(Und eine Liebeserklärung ist besser als keine.)
Mittwoch, 1. Oktober 2008
Als ich den Hausflur vom Lieblingskollegen betrete, fühlt sich alles vertraut an. Schon bevor ich meinen Fuß auf die erste Stufe setze, höre ich Herrn Baby aufgeregt kreischen, der mit einem erwartungsfrohen Grinsen auf dem Absatz vor der Wohnungstür steht, eine Hand am Geländer, in der anderen eines dieser laut tönenden Gruselspielzeuge, das ich sofort bestaunen soll. Im Türrahmen erblicke ich das gleichen Grinsen in groß und der Kollege umarmt mich ein bisschen umständlich zur Begrüßung. Ich freue mich, die beiden wiederzusehen.
Als der Kaffee ausgetrunken und der Boden mit ausreichend Krümeln verziert ist, nehmen wir die Räder und fahren dorthin, wo es aussieht, wie auf dem Land. Es gibt massenhaft Grün, viele Tiere, zusammengenagelte Bretterbuden, ein knisterndes Lagerfeuer und viele Spielgelegenheiten für kleine Menschen. Wir stellen die Räder ab und Herr Baby nimmt erst seinen Vater bei der Hand und greift dann direkt nach meiner. Als wäre es ganz selbstverständlich. Als wäre es immer so gewesen. Die Geste läßt mich schwer schlucken und ich spüre diesen Anflug von schlechtem Gewissen, weil wir aussehen, wie eine Familie, obwohl wir keine sind. Wir schwingen Herrn Baby durch die Luft, bis er vor Vergnügen quietscht und ich frage mich, ob alle Menschen dieses Gefühl so glücklich macht.
Familie. Zusammen sein. Zusammen spielen, toben, radfahren, Neues entdecken, Eis essen, Tiere streicheln, Äpfel aufschneiden, Sandburgen bauen, gemeinsam klettern, Heimfahren, Abendbrot essen, malen, vorlesen, müde sein, Gutenachtkuss geben und kriegen.
So tun als ob. Der Nachhauseweg ist weit und lässt viel Zeit für Einsamkeit. Der Fahrtwind kühlt meine fiebrig heißen Wangen, aber die Traurigkeit pustet er nicht weg. Obwohl ich immer denke, längst darüber hinweg zu sein, kommen diese Momente immer wieder. Momente, in denen ich wünschte, ich müsste nicht nur so tun, als ob.
Mittwoch, 10. September 2008
I want to hold the hand inside you
I want to take a breath that's true
I look to you and I see nothing
I look to you to see the truth
Am Ende herrscht die Stille im abgedunkelten Raum. Sie fühlt sich mächtig und stark an. Nachdem ich mich ausgestreckt habe kommt die Ruhe herbeigeschwebt, legt sich schweigend auf meinen Körper und deckt mich zu, bis sie ganz von mir Besitz ergriffen hat. Sie füllt mich aus, von den Haaren bis in die warmen Zehenspitzen und vetreibt die unruhigen Gedanken.
You live your life
You go in shadows
You'll come apart and you'll go black
Some kind of night into your darkness
Colors your eyes with what's not there.
Die Dielen geben ein leises Knarzen von sich, als er sich mit verschränkten Beinen hinter meinen Kopf auf dem Boden niederlässt. Er legt sanft seine Hände auf meine Schultern, drückt sie nach unten und verharrt in dieser Position. Meine Atmenzüge lassen uns leben. Heben und senken, heben und senken, heben und senken - wir beide im Gleichklang. Es fühlt sich warm an. Geborgen. In guten Händen. Langsam wechselt er von den Schultern zur Brust und ich spüre die Wärme, die er ausstrahlt, die Kraft, die er mir gibt. Es fühlt sich an, als wolle er meinen Brustkorb umfassen. Mir dort Halt geben, wo ich ihn am dringendsten brauche. Das Herz behüten festhalten, denn es beginnt schneller zu schlagen, immer schneller. Die Zeit soll stehen bleiben. Bitte.
A strangers light comes on slowly
A strangers heart without a home
You put your hands into your head
And then smiles cover your heart
Kurz bevor er aufsteht und seinen Platz an meinem Kopfende verlässt, will ich ihn festhalten. Es ist ein kurzer Moment, in dem ich denke, dass ich nicht ohne ihn sein kann. "Bleib bei mir", rufe ich laut in Gedanken und spüre im selben Moment die Angst, er könnte mich gehört haben. Allein sein. Zu zweit sein. Allein sein.
Fade into you
Strange you never knew
Fade into you
I think its strange you never knew
Später, zu Hause, kommt die Traurigkeit. Und obwohl ich eigentlich erschöpft bin, gehe ich nicht ins Bett sondern mache das, was ich am besten kann. Schwach sein. Und mich anschließend mit Selbstvorwürfen bestrafen. Vielleicht, weil es das Einzige ist, was für einen kurzen Moment Trost spendet. Bittersüße Wärme für das einsame Mädchen in mir drin.
Fade into you
Strange you never knew
Fade into you
I think its strange you never knew
(Mazzy Star - Fade Into You)
Mittwoch, 27. August 2008
Anstatt einzuschlafen, kreiseln die Gedanken durch den Kopf. Es ist eine Nacht, in der ich das Alleinsein stärker spüre als mir gut tut. Wird mich jemals wieder jemand lieben? Eine Frage, die viel Schmerz in sich trägt. Die weh tut. Und je länger sie vom Kopf in den Rest meines Körpers sickert und mich schon bald darauf komplett ausfüllt, desto sicherer bin ich, die Antwort zu kennen.
Ich will schlafen. Nicht denken. Nicht traurig sein.
Wird jemals wieder jemand in diesem Bett neben mir liegen? Mir Vorlesen? Meinen Rücken streicheln? Mich küssen? Mir seine Träume erzählen? Mir das Haar aus dem Gesicht streichen? Mit mir lachen, toben, herumalbern...? Meine Hand halten? Mir die Welt erklären? Mir Liebesbriefe schreiben? Mich um den Verstand vögeln? Mit mir Zukunftspläne schmieden?
Irgendwann wird die Erschöpfung größer als die Verzweifelung.
Freitag, 13. Juni 2008
Ich will ihn. Aber was will ich von ihm? Ich will seine Hand auf meinem Arm spüren und mir von ihm das Haar zerwuscheln lassen. Ich will mit ihm über Dinge sprechen, die ihn bewegen und darüber, was er sich vom Leben erhofft. Ich will ihn lachen sehen und in sein Lachen einfallen. Ich will ihn weinen sehen und dabei sein Gesicht in meinen Händen halten. Ich will ihm dabei zusehen, wie er mit seinem kleinen Jungen balgt und ihn beim Abendessen mit Käsebrot und Gurkenstückchen füttert. Ich will mit ihm die Welt entdecken und mich ihm nahe fühlen. Ich will, dass er mit zarten Fingern über meine Narben streicht, die inneren und die äußeren. Ich will glücklich sein.
Zum Wochenendbeginn gibt es aber erstmal einen Arschtritt mit Anlauf. Weil ich eine weichgespülte Kitschtante geworden bin in all der Zeit der Einsamkeit. Ich muss mir den Mann aus dem Kopf schlagen, so oder so. Und dann bitte 1x Rückbesinnung auf die alten Werte. Sex & Gewalt. Von mir aus auch ein bisschen Liebe. Herrje, das kann ja wohl nicht so schwer sein.
Samstag, 31. Mai 2008
Ich habe H. (H1, H2, H3, H4) in einem SM-Chat kennen gelernt. Mittlerweile ist das schon acht Jahre her. Seine Art gefiel mir, dieses Unverklemmte, mit dem er mir das Gefühl vermittelte, nicht nur alles sagen zu können, sondern auch alles fragen zu dürfen - peinliche Dinge inklusive. Wir chatteten oft und gern miteinander, aber wir spielten in der gleichen Liga und so hatte keiner von uns das dringende Bedürfnis, uns unbedingt treffen zu müssen. Vertraute Unbekannte. Ganz normal im Internet.
In your room / There's a bed in the corner / In your room / There's a view over the town / In your room / Your typewriters telling stories / In your room / There are you waiting for me / In your room
Zwei Jahre später begegneten wir uns zum ersten Mal. Ich sah ihn im verabredeten Café stehen, ganz in schwarz, wie er mich mit einem abschätzenden Grinsen betrachtete. Wir küssten uns zur Begrüßung unter einem Mistelzweig, ich schlang meine Arme um ihn und wollte ihn nicht mehr loslassen. Aus einem geplanten Abend mit H. wurde ein verlängertes Wochenende mit ihm und meinem damaligen Freund und am Ende waren wir allesamt ziemlich verdattert über das, in was wir da hineingestolpert waren. Es war wunderbar, aber es ging nicht gut aus. Nicht mit dem H. und auch nicht mit dem damaligen Freund und schon gar nicht in der Kombination.
When I look into your eyes / I look into a mirror / When I look into your eyes / I can see myself / Kings and queens / They have lost their heads / But I've lost my heart / In your room / In your room
Der Kontakt zwischen H. und mir war schwierig und immer eine unvollkommene Balance aus Nähe und Distanz. Ich war erst genervt und dann verletzt, als ich bemerkte, dass sein Hang zu Halbwahrheiten ganz offensichtlich System hatte. Trotzdem konnte mich nicht von der Vorstellung trennen, dass wir irgendwann mal ein Paar werden würden. Für immer. (Natürlich.) Weil es sich in seinen Armen so gut anfühlte. Weil er mir Selbstvertrauen schenkte, so dass ich mich selbst kaum wiedererkannte. Weil er mir gut tat.
I'd like to crawl into you / Come cover me with love / I'd like to crawl into you / Come cover me with love / I'd like to crawl into you / Come cover me with love / Til were had enough / And we never get enough / In your room
Sechs Jahre sind vergangen und die letzten Minuten vor dem Wiedersehen sind voll von kribbeliger Vorfreude & Herzklopfen. Er sieht anders aus als damals, er trägt hell. Wir nehmen uns in die Arme und es fühlt sich ein bisschen wie früher an, aber als wir uns später gegenüber sitzen, wollen die Worte nicht kommen, will kein Gespräch entstehen. Ich blicke ihm in die Augen und er ist weit weg, so weit, dass ich ihn nicht erreichen kann, obwohl uns kein halber Meter voneinander trennt. Er lebt jetzt für sein Hobby. Er fotografiert. Bei diesem Thema blitzt die Leidenschaft in seinen Augen und sie erlischt, sobald ich etwas von mir erzähle. Erst, als wir uns voneinander verabschieden, auf der Schwelle meiner Wohnungstür, kommt er mir nahe. Er legt die Arme um mich und drückt mich an sich oder drückt sich an mich. Jedenfalls stehen wir eng umschlungen da, mein ganzer Körper berührt seinen, von oben bis unten, die Wangen aneinander, Brust, Bauch, Schenkel - so nah. Die Intensität dieser Nähe fühlt sich gut an und sie hält lange dreißig Sekunden, bis er mich freigibt und mir einen Blick zuwirft, den ich nicht deuten kann. Sehnsucht, Abschied, Traurigkeit. Ich weiß es nicht.
There are worlds beneath the world / And they are covered under blankets / In your room / In your room
Abschiednehmen von Träumen. Das ist so schwer und schmerzlich. Wir haben uns in einer Phantasie verloren, die nur in unseren Köpfen existierte, ohne einer Rückversicherung in der Realität. Sechs Jahre, in denen er fast erwachsen geworden ist und in denen ich von einem dunklen Abgrund in den nächsten gestolpert bin. Da sollte mir schon mein logischer Verstand sagen, dass es so kommen musste. Nur gut, dass mein Herz mir sagt, dass irgendwann ein Mann kommen wird. Der mich liebt. Und dass ich mich dann nicht mehr mit Phantasien begnügen muss.
(Fury in the Slaugterhouse. "In Your Room")
Montag, 24. März 2008
Sie gehen am Kanal entlang, es ist schon Ende März
Sie streichelt sein Schlüsselbein und er streichelt ihr Herz
Sie sehen die Sonne aufgehen und es ist nicht mehr weit
Sie schweigen und sie teilen sich die letzte »Lucky Light«
(Funny van Dannen. Ein Paar)
Morgens im Halbschlaf für einen kurzen Augenblick suchend auf der andere Bettseite herumgetastet. Der unbändige Wunsch einen warmen Körper dort vorzufinden, ihn mit einen Arm umschlingen zu können, meine Nase in die Halsbeuge zu stecken und dann beruhigt weiter zu schlafen.
Mittwoch, 27. Februar 2008
Es ist kein Zufall, dass der H. (H1, H2, H3) wieder hinter dem Ofen hervorgelockt werden muss. Lieber ein wenig Herzeleid aufkommen lassen, als nicht zu wissen, wohin mit mir. Hallo H., hast du mich auch nicht vergessen?
It’s a strange day / No colours or shapes / No sound in my head
Natürlich nicht, denn wie könnte er, schließlich sind wir in der Erinnerung miteinander verbunden. Weißt du noch? ist eines unserer liebsten Spiele und wir werden nie müde, es miteinander zu spielen. Die dahingeschriebene Begrüßung schmerzt, das Falsch-Gefühl springt mir mit gewaltiger Heftigkeit ins Gesicht. Liebste. Meine Einsilbigkeit ist die Folge oder sie gehört zum Spiel, ich weiß es nicht und es ist auch egal.
I forget who I am / When I’m with you / There’s no reason / There’s no sense
Nach ein paar geschriebenen Worten klingelt das Telefon. Es kann uns nicht leiden, den H. und mich, wir sind nicht dafür geschaffen miteinander zu sprechen. Ich verstehe ihn schlecht, ständig muss ich nachfragen und wir stellen unsere Geduld auf die Probe. Was gibt es noch zu sagen, was von Belang wäre? Nichts. So einfach ist das.
I’m not supposed to feel / I forget who I am / I forget / Utopia, utopia
Worte ohne Wert. Flatterige Worte, Worte aus der Vergangenheit, die nicht bis heute überlebt haben. Deine Frau sage ich über sie und du wirst unwirsch, verbesserst Freundin, denn nicht einmal die zeitgemäßen Worte stimmen, sie interessieren dich nicht und mich auch nicht und die Finger finden ganz von allein das Symbol mit dem kleinen roten Hörer, das unsere Welten wieder voneinander abschneidet.
I’m wired to the world / That’s how I know everything / That’s how they made me
Am besten steht mir die Hauptrolle auf dem Nebenschauplatz. Die II. Wahl. Ich bin niemandes Liebste, niemanden Liebstes. Ein Eingeständnis, mit dem ich mich längst abgefunden habe und das mich trotzdem schmerzt. Aber vielleicht ist auch nur manch eine Nacht zu lang.
(Goldfrapp. "Utopia")
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