Dienstag, 6. Januar 2009
Danach kommt die Hölle. Ich verpasse den Zeitpunkt, als die endlose Schwärze beginnt. Ich stolpere ungeschickt hinein, verheddere mich, verirre mich. Erst kommt die Angst und plötzlich, so schnell, dass ich es nicht einmal richtig mitbekomme, ist diese alles verzehrende Verzweifelung da, diese abgrundtiefe quälende vernichtende Einsamkeit, die nicht den kleinsten Raum für Hoffnung lässt.
Es gibt keine rettende Hilfe, keine schützende Hand. Es ist wie immer.
Bitte Licht aus, Dunkelheit, Deckel drauf und Schluß.
Montag, 7. Juli 2008
Hilfeschreie, immer und immer wieder. Laut. Schrill. Durchdringend. Bei Ärzten, Psychologen, Beratungsstellen immer wieder die gleiche Bitte: Helft mir! Ein Blick genügte, um das Mädchen zu sehen, das sich qualvoll zugrunde richtete. Bitte 1 x Hilfe für Sara.
Wie nennt man es, wenn die "Profis" nur zusehen? Wenn sie mit gesenkten Häuptern dastehen, wichtigtuerisch die Köpfe wiegen, sinnlose Ratschläge geben, die Schultern zucken, sich umdrehen und zum Mittagessen in die Kantine gehen?
Was soll man schließlich machen. Sie ist erwachsen. Für sich selbst verantwortlich. Organversagen. Pech gehabt.
Sara. Kleine Sara.
Sonntag, 18. Mai 2008
Am Abend spüre ich, dass die Zeit zum Abschied nehmen gekommen ist. Weil ich ihn nicht mehr ertrage: das Gemotze, das chronisch-unzufriedene Gebahren, die kurzfristigen Absagen und immer wieder hingerotzte Beleidigungen, für die er sich auch später nicht entschuldigen kann. Wenn ich ihn darauf anspreche, zieht er die Situation ins Lächerliche oder dreht meine Beschwerde so, dass er mich guten Gewissens als spießige Langweilerin hinstellen kann.
Der Galeriebesuch ist wie eine kurzzeitige Rückkehr nach London, wo ich viele der ausgestellten Bilder bereits gesehen habe. Ich halte Ausschau nach Emily, deren Bekanntschaft ich dort gemacht habe, die jedoch nicht in die Stadt gekommen ist, aber nach Smalltalk steht mir an diesem Abend auch nicht der Sinn. Lori Fields sanfte Farben passen nicht zu meiner Stimmung, aber Gewimmel & Gewirr sind perfekt, auch wenn ich keine Ruhe zum Genießen habe. Ich bin enttäuscht, denn ihm gefällt es nicht, er steht gelangweilt draußen und wartet auf mich.
Seit Wochen bewege ich unsere Freundschaft in Gedanken hin und her und immer wieder komme ich zu dem Schluß, dass man eine jahrelange Freundschaft nicht einfach so in die Tonne treten kann. Aber nach diesem Wochenende fürchte ich, dass auch noch die Vergangenheit kaputt geht, wenn ich nicht endlich den Schlußstrich ziehe. Verplappern ist dumm, aber keine Erklärung zu liefern ist noch viel dümmer. Wir schweigen und ich mache mir nicht einmal mehr die Mühe nachzufragen. In der Stille steckt zu viel Lüge, als dass ich überhaupt noch reden mag. Sehr traurig.
(Bild von Lori Field. Noch viel mehr davon gibt's in der Strychnin Gallery Berlin - Ruhig mal hingehen!)
Mittwoch, 5. März 2008
Ganz leise kommt es angeschlichen und löst die Mittelmäßigkeit ab, die auf das Glück folgte. Es funktioniert eben doch nicht mehr als ein paar Tage, das mit dem guten Gefühl, denn ich kenne die Rezeptur nicht, aus der sich Kummer & Leid oder Liebe & Entzücken zusammensetzen.
Ich kenne mich nicht gut genug, ich verstehe die Welt nicht und habe Angst, dass ich mein Leben lang mit der Suche nach dem gesunden aber langweiligen Mittelmaß verbringen muss.
Was für ein Graus, das eine wie das andere.
Dienstag, 4. März 2008
Montag, 11. Februar 2008
Lieber keine Worte gebrauchen. Sie sind doch nur verschwendet.
(Ich suche lieber woanders.)
Montag, 28. Januar 2008
Ich glaube, sie haben mich einfach vergessen.
Sonntag, 27. Januar 2008
Nach 18 Jahren Funkstille meldet sich der Pe bei mir. Ob wir uns nicht mal treffen wollen, fragt er vorsichtig und ich stimme zu, auch wenn ich keine Ahnung habe, welches der wahre Grund für seinen Anruf ist. Als er in meiner Tür steht, nehmen wir uns unbeholfen in die Arme. Der Pe sieht vertraut aus, wie früher mit 14 und doch ist er erwachsenen geworden. Während ich noch mit der Zubereitung des Essens beschäftigt bin, gebe ich ihm einen kleinen Stoß: "Erzähl doch mal!" Und schon kommt es in unverdaulichen Portionen herausgepoltert: die Eheprobleme, die Schwierigkeiten bei der Arbeit, das Burnout und im Anschluß eine Psychose mit Stimmen und Wahnvorstellungen, ein langer Klinikaufenthalt, die Trennung von der Frau, den Kindern, die Erkenntnis, dass der Nachbar nicht nur Nachbar war, die Kündigung, das finanzielle Desaster, Trauer und Leere und verlorener Kampfgeist. Ich schaue in seine starren Augen, die mich von weit her fixieren und auf seine Finger, die er pausenlos knetet. So viel Verzweifelung. Ohne Vorwarnung.
When the day is long and the night, the night is yours alone,
When you're sure you've had enough of this life, well hang on.
Don't let yourself go, everybody cries and everybody hurts sometimes.
Einsamkeit. "Du kennst das halt nicht, du warst ja immer alleine", sagt er, ohne mir wehtun zu wollen, aber es schmerzt genauso wie es sich anhört und wir schweigen eine Weile, während uns das scharfe Masman Curry Tränen in die Augen treibt und wir uns beide die Nase putzen können, ohne das es auffällt.
Sometimes everything is wrong. Now it's time to sing along.
When your day is night alone, hold on, hold on.
If you feel like letting go, hold on.
When you think you've had too much of this life, well hang on.
"Fragst du dich auch manchmal, ob das jetzt alles war", will der Pe wissen und ich grinse und beginne zu lachen und verschlucke mich, huste und lache und träne, bis er einstimmt. Als ich mich wieder beruhigt habe, schaut er mich fragend an. "Du hast zwei Kinder", zähle ich auf, "11 Jahre eine Beziehung geführt, ein Haus gebaut." "Aber das zählt jetzt nicht mehr, es ist doch alles kaputt", gibt er resigniert zurück und wir schweigen wieder.
Everybody hurts. Take comfort in your friends.
Everybody hurts. Don't throw your hand.
If you feel like you're alone, no, no, no, you are not alone.
"Wolltest du nie Kinder haben?", will er wissen und ich erkläre ihm, dass ich mir immer Kinder gewünscht habe. "Ich habe nie einen getroffen, der mit mir Kinder gewollt hätte", antworte ich mit verschmitztem Lächeln und freue mich an der Dramatik meiner Worte, bis mich eine Faust des Schmerzes trifft und ich mir mit der Serviette über die Augen reibe, weil das Curry wirklich verdammt scharf ist.
If you're on your own in this life, the days and nights are long,
When you think you've had too much of this life to hang on.
Well, everybody hurts sometimes,
Everybody cries.
Die Verabschiedung ist kurz. Wir werden uns wiedersehen.
So, hold on, hold on.
(R.E.M., "Everybody hurts")