Dienstag, 15. April 2008

Nach Tagen des Alleinseins und ohne das Gefühl der Einsamkeit zu vermissen, überlege ich, ob mir nicht langsam die Worte ausgehen. Ich rede wenig, allein in dieser fremden Stadt, aber Kopf und Verstand veranstalten ganz eigenständig ein heilloses Durcheinander der Gefühle, auch ohne Worte. Um mich herum tobt ein großer lauter Jahrmarkt, der glitzert und funkelt und sich dreht und all seine Verlockungen ins rechte Licht rückt. Unterhaltungen sind rar. Morgens servieren polnische Mädchen Orangensaft und Kaffee und mehr als ein "More?" und ein "No, thank you" gibt der Wortwechsel nicht her, da keine von ihnen Englisch spricht. Auch die übrigen Gespräche sind sehr kurz: eine Frage von mir, eine Antwort vom fremden Gegenüber und jeder geht seiner Wege.

Aber dann ist es soweit. Ich besuche etwas Vertrautes, etwas, das ich schon aus der Heimat kenne und es ist ein Gefühl zwischen spannungsvoller Erwartung, Vorfreude und Angst, weil dort hoffentlich nicht nur Schönes, sondern auch ein paar Worte auf mich warten. Als ich in die kleine Seitenstraße einbiege, sehe ich das dunkle Fleckchen schon von Weitem. Stilecht in schwarz, natürlich, wie sollte es auch anders sein. Mein Herz klopft, ich will flüchten, befürchte, dass ich komisch angesehen werde, dass ich störe, dass es einfach nicht passt, dass ich anschliessend enttäuscht sein werde.


Als ich die Tür öffne und die ersten Bilder sehe, bin ich gleich da. Angekommen. Die Ankündigung der Werke hatte ich schon im Internet gesehen, wußte schon, dass sie nicht nach meinem Geschmack sein würden, da zu viel Kitsch. Ich begrüße die Anwesenden und gehe auf ein Mädchen zu, das aussieht wie Emily the Strange. Und kaum haben wir zwei Sätze gewechselt, plappert sie auf deutsch weiter, erzählt und läßt mich reden und wir müssen lachen, als wir feststellen, dass wir uns schon vor ein paar Wochen begegnet sind und dass es da auch noch andere Wege gibt, die sich irgendwie kreuzen.

Nach dieser Überraschung schaue ich mir alles in Ruhe an. Alles ist gut, ich bin glücklich, als die Anspannung von mir abfällt. Die Galerie hat zwei Etagen und unten finde ich dann doch noch ein paar der morbiden Kunstwerke aus dem Kuriositätenkabinett, die mir das Herz erwärmen. Und weil ich nun schon mal da bin und am Freitag, wenn hier die Eröffnung der Werke von David Hochbaum zelebriert wird, schon längst wieder in der Heimat sein werde, darf ich noch ein paar Blicke auf das werfen, was die Besucher hier erwarten wird und es sieht verlockend aus.

"Komm mal mit", sagt Emily the Strange keck, und wir laufen ein Stück zusammen die Straße entlang und sie zeigt mir, wo es in dieser Ecke der Stadt bezahlbaren Kaffee gibt. Wir reden noch ein bisschen über dies und das und ich muss zugeben, dass ich mich Hals über Kopf verliebt habe und gar nicht so recht weiß, wie das eigentlich geschehen ist und was ich jetzt mit diesem Gefühl anstellen soll. Als wir uns verabschieden ist es wie ein kleines Versprechen: "Wir sehen uns ja dann in Berlin", sagt Emily und ich nicke und winke zum Gruß und schaue ihr hinterher, wie sie zwischen den Menschen verschwindet und ich dort stehe, mit meinem Pappbecher in der Hand und sich alles so gut anfühlt.