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Mittwoch, 1. Oktober 2008
Als ich den Hausflur vom Lieblingskollegen betrete, fühlt sich alles vertraut an. Schon bevor ich meinen Fuß auf die erste Stufe setze, höre ich Herrn Baby aufgeregt kreischen, der mit einem erwartungsfrohen Grinsen auf dem Absatz vor der Wohnungstür steht, eine Hand am Geländer, in der anderen eines dieser laut tönenden Gruselspielzeuge, das ich sofort bestaunen soll. Im Türrahmen erblicke ich das gleichen Grinsen in groß und der Kollege umarmt mich ein bisschen umständlich zur Begrüßung. Ich freue mich, die beiden wiederzusehen.
Als der Kaffee ausgetrunken und der Boden mit ausreichend Krümeln verziert ist, nehmen wir die Räder und fahren dorthin, wo es aussieht, wie auf dem Land. Es gibt massenhaft Grün, viele Tiere, zusammengenagelte Bretterbuden, ein knisterndes Lagerfeuer und viele Spielgelegenheiten für kleine Menschen. Wir stellen die Räder ab und Herr Baby nimmt erst seinen Vater bei der Hand und greift dann direkt nach meiner. Als wäre es ganz selbstverständlich. Als wäre es immer so gewesen. Die Geste läßt mich schwer schlucken und ich spüre diesen Anflug von schlechtem Gewissen, weil wir aussehen, wie eine Familie, obwohl wir keine sind. Wir schwingen Herrn Baby durch die Luft, bis er vor Vergnügen quietscht und ich frage mich, ob alle Menschen dieses Gefühl so glücklich macht.
Familie. Zusammen sein. Zusammen spielen, toben, radfahren, Neues entdecken, Eis essen, Tiere streicheln, Äpfel aufschneiden, Sandburgen bauen, gemeinsam klettern, Heimfahren, Abendbrot essen, malen, vorlesen, müde sein, Gutenachtkuss geben und kriegen.
So tun als ob. Der Nachhauseweg ist weit und lässt viel Zeit für Einsamkeit. Der Fahrtwind kühlt meine fiebrig heißen Wangen, aber die Traurigkeit pustet er nicht weg. Obwohl ich immer denke, längst darüber hinweg zu sein, kommen diese Momente immer wieder. Momente, in denen ich wünschte, ich müsste nicht nur so tun, als ob.
Sonntag, 28. September 2008
Mit der Zeit werden die Treffen mit dem Monsieur zum festen Bestandteil des Wochenendes. Das Beste an diesen Begegnungen ist, dass wir ganz offensichtlich im gleichen Takt ticken. Dass ich nie das Gefühl habe, etwas müsse schneller oder langsamer gehen. Dass es eine mühelos ausbalancierte Mischung aus Reden und Schweigen, aus Lachen und Ernsthaftigkeit gibt, die mir eine Ruhe beschert, die für die Regeneration am Wochenende genau richtig ist. Abschalten, entspannen, den Augenblick genießen.
Es ist eine der letzten Bootsfahrten, die in diesem Jahr angeboten werden, denn dann beginnt die Wintersaison. Zum Glück meint es die Sonne gut mit uns und strahlt uns an, während uns der kalte Fahrtwind um die Nase weht und wir ein bisschen über die grausligen Mitfahrer kichern, Fotos machen, heimlich die mitgebrachten Kekse verzehren und unsere Stadt mit liebevollem Blick von der anderen Seite betrachten.
"Sag mal", beginnt der Monsieur seine Frage und will dann wissen, wie das denn nun ist, mit den Männern. Was ich mir für einen wünschen würde, wenn ich die Wahl hätte. Ich blicke gedankenverloren auf das glitzernde Wasser, sehe den Schwänen zu, wie sie nach den Brotstückchen der Spaziergänger gieren und suche nach passenden Worten. Schwierig zu formulieren, so eine Wunschliste. Danach ist er dran, aber er mogelt sich um die Aufgabe herum und beginnt aufzuzählen, was er nicht mag. Das zählt nicht, denn das ist schließlich viel einfacher.
Wir reden darüber, wie wir unsere Tage verbringen. Und mit wem. "Wie willst du denn so einen kennen lernen?", fragt er gedehnt und ich weiß keine Antwort. Allerdings wüßte ich auch nicht, wie ich anders einen kennen lernen soll, denn ich bin schüchtern und zurückhaltend, wenn es um Fremde geht. Außerdem ist da noch diese andere Sache. Dass ich nämlich gerade glücklich bin mit meinem Leben. Zufrieden. Auch ohne Mann. Vielleicht ist das ja das größte Hindernis.
Durchgefroren stehen wir uns am U-Bahnausgang gegenüber. "Und was machen wir am nächsten Wochenende?", frage ich ihn. Es ist das Abschiedsritual, jedes Mal wieder. Er lacht schelmisch und sagt, dass ich mir etwas einfallen lassen soll. Dann macht er sich auf den Heimweg, während ich auf mein Rad steige und in die entgegengesetzte Richtung davon fahre.
Samstag, 27. September 2008
Ich wolle am Wochenende doch endlich mal knutschen. Aber mit einem Mund voller Herpesbläschen und einem entzündeten Weisheitszahn wird das wohl nix.
Immer nur reden. Hmpf.
Mittwoch, 24. September 2008
Die ehemalige Schulfreundin und ich sehen uns ungefähr zweimal im Jahr. Sie schafft es, drei Stunden ohne Punkt und Komma zu reden. Genau wie früher. Ich muss nicht einmal nicken, "hm" machen oder eine Frage stellen. Meine bloße Anwesenheit reicht vollkommen aus.
Jedes Mal kommen zur Verabschiedung die gleichen Worte: "Und das nächste Mal erzählst du dann, wie es dir so geht und was du so machst, ok?" Jedes Mal denke ich dann: Warum tust du dir das an?
Montag, 22. September 2008
Montag Morgen. Montagmorgen. Das Aufstehen fällt schwer. Und schwerer noch, als ich mich nach der warmen Dusche mit einem Handtuch um den Körper geschlungen auf die Bettkante setze und dann doch wieder hochkommen muss. Der Zahn tut weh, mehr noch als gestern und irgendwie scheint mein ganzer Körper ganz und gar nicht bereit für eine neue Woche zu sein. Aber Ruhe ist unmöglich, denn die Arbeit ruft so laut, dass es in meinen Ohren dröhnt und jeder Gedanke an kuschelige Daunen konsequent beiseite geschoben werden muss.
Ich mag es, wenn es in der Anstalt ein bisschen stressig zugeht, denn so arbeite ich am besten. Dummerweise ist der Stress zur Zeit unverhältnismässig intensiv und unausweichlich. Und so muss ich vernünftig nicken, als mir der Urlaub verweigert wird. Und so muss ich schlucken, als auch meiner Bitte, nach Erledigung des Auftrags ein paar freie Tage zu gewähren, abgelehnt wird.
Mittwoch wird die Arbeit abgeschlossen sein, da gibt es kein Pardon. Und wenn ich dann wirklich nicht frei bekomme, werde ich eben krank. Da kann ich nichts dafür, das ist immer so. Die Schlappheit, Kopf- und Zahnschmerzen kommen doch allesamt daher, dass die Wochenenden für eine angemessene Erholung schon längst nicht mehr ausreichen.
Müde. Kaputt. Und trotzdem immer bis zum Anschlag.
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