Freitag, 30. Mai 2008

Aus Erfahrung weiß ich, dass es mit Geschriebenem ganz anders aussieht als mit Gedachtem. Während Gedanken immer wieder durch meinen Kopf streifen und ich sie anschließend beiseite schieben kann, hat das Geschriebene Gewicht. In Worte gefasste Gedanken hatten schon immer eine starke Wirkung auf mich. Ich kann mir damit selbst den letzten Schubs geben und mich mit meinen eigenen Worten davon überzeugen, dass die Zeit reif für Taten ist.

Ich sitze auf dem braunen Ledersofa der Frau aus L. und wundere mich, dass sie zu ihrer grün-weißen Kleidung blaue Socken trägt. Das sieht nämlich nicht gut aus. Also schaue ich ihr lieber schnell in die Augen und erzähle, was mir durch den Kopf gegangen ist, was ich aufgeschrieben habe, in den letzten Tagen. Und schon beim Erzählen merke ich, dass mein Unwohlsein gar nicht an ihr liegt. Mein Zaudern und in-Frage-stellen hat einen anderen Grund und der ist ganz unabhängig von ihrer Person. Ich brauche diese Art von Gesprächen nicht mehr, so einfach ist die Sache, als sie erst einmal ausgesprochen ist. Dafür erstaunt mich die Heftigkeit der Wut darüber, wie mühselig es in den letzten Jahren für mich war, mir Hilfe zu suchen und das daraus resultierende Wissen, dass man sich doch nur selbst helfen kann (wenn man denn noch kann), weil man ansonsten in diesem Gesundheitssystem verloren ist. Den Helfenden ist man nämlich scheißegal.

Die Frau aus L. lässt mich schimpfen und meckern, bis ich davon genug habe und dann zählt sie die Alternativen auf, zwischen denen ich wählen kann und an welchen Themen wir noch arbeiten könnten. Ihre Worte klingen so leicht wie ich mich fühle. Zwei Treffen mit größeren Abständen, dann fährt sie in Urlaub und danach entscheiden wir, wie es weitergeht. Ob es weitergeht. Kontrollieren, ob ich die Rückversicherung brauche und das Wissen, dass sie da wäre, wenn alles so kommen würde, wie in meinen dunklen Alpträumen phantasiert.

Auf dem Weg nach Hause bin ich stolz auf mich. Ich krieg das schon hin, mit dem Leben. Aber weil ich eben keine andere geworden bin, sondern nur ein bisschen so wie früher, traue ich dem Frieden nicht und grummele auf dem Rad vor mich hin. Aber auch beim Grummeln kann man Grinsen. Und zwar sehr gut.


 

Dienstag, 20. Mai 2008

Irgendwie will die Sache mit der Frau aus L. nicht so laufen, wie ich es mir wünsche. Erst dachte ich, dass es mir vielleicht zu gut geht, als dass ich Lust hätte, mich mit dieser ganzen deprimierenden Psychokacke auseinanderzusetzen, aber das ist es nicht. Sie ist eine sehr liebe und freundliche Person, ist aufmerksam und nett. Aber das war es dann auch. Was fehlt, sind die richtigen Fragen. Denkanstöße aus einer Richtung, die mir bisher nicht in den Sinn gekommen sind. Und manchmal auch ein paar harte Fragen und die entsprechenden Wahrheiten. Aber alles was ich bekomme ist ein Nicken und ein "ja, Sie sind auf dem richtigen Weg", gefolgt von noch mehr Zustimmung und garniert mit einem guten Tipp, zu dem ich wiederum "ja, ja, leck mich am Arsch" sage nicke und genau weiß, dass der Vorschlag unrealistisch und nicht umsetzbar ist.

Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ob ich tatsächlich 25 Stunden absolvieren muss, um mich dann enttäuscht zu fragen, ob es das nun gewesen ist. Immerhin hätte ich dank meines Hanges zur Pflichterfüllung ein gutes Gefühl ihr gegenüber.

Les Kloppis sind dafür der Hit. Jede Woche auf's Neue.


 

Sonntag, 18. Mai 2008

Am Abend spüre ich, dass die Zeit zum Abschied nehmen gekommen ist. Weil ich ihn nicht mehr ertrage: das Gemotze, das chronisch-unzufriedene Gebahren, die kurzfristigen Absagen und immer wieder hingerotzte Beleidigungen, für die er sich auch später nicht entschuldigen kann. Wenn ich ihn darauf anspreche, zieht er die Situation ins Lächerliche oder dreht meine Beschwerde so, dass er mich guten Gewissens als spießige Langweilerin hinstellen kann.

Der Galeriebesuch ist wie eine kurzzeitige Rückkehr nach London, wo ich viele der ausgestellten Bilder bereits gesehen habe. Ich halte Ausschau nach Emily, deren Bekanntschaft ich dort gemacht habe, die jedoch nicht in die Stadt gekommen ist, aber nach Smalltalk steht mir an diesem Abend auch nicht der Sinn. Lori Fields sanfte Farben passen nicht zu meiner Stimmung, aber Gewimmel & Gewirr sind perfekt, auch wenn ich keine Ruhe zum Genießen habe. Ich bin enttäuscht, denn ihm gefällt es nicht, er steht gelangweilt draußen und wartet auf mich.

Seit Wochen bewege ich unsere Freundschaft in Gedanken hin und her und immer wieder komme ich zu dem Schluß, dass man eine jahrelange Freundschaft nicht einfach so in die Tonne treten kann. Aber nach diesem Wochenende fürchte ich, dass auch noch die Vergangenheit kaputt geht, wenn ich nicht endlich den Schlußstrich ziehe. Verplappern ist dumm, aber keine Erklärung zu liefern ist noch viel dümmer. Wir schweigen und ich mache mir nicht einmal mehr die Mühe nachzufragen. In der Stille steckt zu viel Lüge, als dass ich überhaupt noch reden mag. Sehr traurig.

(Bild von Lori Field. Noch viel mehr davon gibt's in der Strychnin Gallery Berlin - Ruhig mal hingehen!)


 

Mittwoch, 14. Mai 2008

Wohin gehn wir, wohin gehn wir, werden wir uns wiedersehen?

Na gut, dann sind wir eben Freunde, der Lieblingskollege und ich.

Du bist wieder da, wo du warst, aber ich bin wieder allein.
Du bist wieder da, wo du warst, aber ich bin wieder allein.


Nur in dem Moment, in dem ich höre, dass er die vierte Person zum Kickern mitbringt und dass sie weiblich ist, schmerzt das Herz ein bisschen, aber ich schlucke den Kloß hinunter und scherze zur Ablenkung mit Paule, seinem besten Freund. Der Kollege und die Begleitung kommen nicht zusammen zum verabredeten Ort und so piekst mich nur zwischendurch die Eifersucht, wenn sich die beiden allzugut verstehen und sich im verbalen Schlagabtausch geschickt die Bälle zuwerfen. Sie gehen auch nicht zusammen nach Hause, nach den Spaghetti, dem stundenlangen Spielspaß und den entsprechenende Rückenschmerzen. Zum Glück.

Andre Wege, andere Straßen, jeder wird woanders schlafen.
Ich bin wieder da, wo ich war, aber du bist wieder allein.
Du bist wieder da, wo ich war, aber ich bin wieder allein.


Und außerdem ist Freundschaft ja auch schön. Sogar mehr als das, wenn sie eine Weile hält, wenn es für beide paßt, wenn sie auf Dauer verläßlich ist. Beide Jungs scheinen darin ziemlich gut zu sein.

Nur die Sterne, nur die Sterne, drehen sich weiter in der Ferne.
Alles wird so sein, wie es war, aber nichts wird wieder so sein.
Nichts wird wieder sein, wie es war, solange die Sonne scheint.


Beim Abschied fragt mich Paule, wie das jetzt wäre, mit uns und dem Tischtennis. Ob wir uns nicht irgendwo einen Ort suchen wollen, um zusammen zu spielen. Und als ich mich auf dem Heimweg vom Kollegen verabschiede, sage ich "bis Montag", weil dann sein Urlaub (endlich) vorbei ist und wir uns auch wieder bei der Arbeit sehen werden. "Na vielleicht treffen wir uns ja vorher nochmal", sagt er fragend und drückt mich, wie immer ein wenig unbeholfen, über die Räder hinweg. "Vielleicht", denke ich, "aber erstmal kümmere ich mich um eine gute Tischtennisplatte."

Ein langes Jahr, ein langer Wein, und nur wer liebt, ist nicht allein.
Wer nicht liebt, der wird zu Stein und es wird niemals anders sein.

(Rio Reiser. Wohin gehn wir?)


 

Montag, 12. Mai 2008

Love me love me
say that you love me
fool me fool me
go on and fool me
love me love me
pretend that you love me
leave me leave me
just say that you need me

(The Cardigans. Lovefool)


Das Strahlewetter tut der Seele gut. Zwar kriege ich im Gesicht lauter kleine Pickelchen, weil ich die Sonne nicht vertrage, aber für die Laune gibt es nichts Besseres als die Kombination aus Wärme und Helligkeit und der grünen Üppigkeit, die selbst in der Großstadt nicht kleinzukriegen ist. Ich habe das Gefühl, das Radfahren nie so sehr gemocht zu haben wie in diesem Jahr. Der Fahrtwind, der über die Härchen meiner Arme streicht, das Vermeiden von Wartezeiten auf dunklen U-Bahnhöfen, die vielen anderen Radler, die sich teilweise in großen Kolonnen vorwärts bewegen, der Blick auf gut besuchte Cafés, in denen die Menschen Tag & Nacht zu sitzen scheinen. Sommergefühl.

Mimi und ich hocken am Landwehrkanal, lassen die Beine baumeln und blicken auf das brackige Wasser, über dem eine Millarde im Abendlicht glitzernder Mücken schweben. Die Gutelaunemusik klingt von der nächstgelegenen Brücke herüber und wir sehen die Menschenmassen, die sich dort im Gedrängel herumschieben. "Jetzt schwörst du aber nicht gleich allen Männern ab, nur weil dich der eine nicht will", sagt Mimi und läßt ein paar Grashalme Richtung Wasser trudeln. "Tsssss", lasse ich die Luft laut aus meinen Lungen strömen und fange an, das Etikett meiner Bierflasche abzurupfen. "Sein Freund ist auch sehr nett", murmele ich leise und meine es so, wie ich es sage. Ich drehe meinen Kopf zur Seite um sie anzusehen und fange an zu grinsen. "Siehste, dann nimmste den." Wir müssen lachen und es wäre so schön, wenn das Leben so einfach wäre, wie wir es uns manchmal erträumen. Glücklicherweise lässt das Gemüt nichts Schlechtes zu, denn das Leben ist gerade so gut zu mir, dass weder kleine noch große Stolpersteine mich zu Fall bringen können.