Dienstag, 14. Oktober 2008

Tap-tap-tap, höre ich die Trippelschritte von Herrn Baby, der mit einem Mal um die Ecke der Wohnungstür späht, dann loslacht und sich in meine Arme wirft. Das kleine Energiebündel und der ehemalige Lieblingskollege sind eine wunderbare Ablenkung von den letzten zwei Murks-Tagen und dem nachtragenden Gefühlskater. Aber bevor es losgeht, gibt es Kuchen und Mandarinen und gemeinsames Lauschen auf Sirenengeheul von Feuerwehrwagen. Davon gibt es nämlich mehr, als ich je geahnt habe.

Dann geht es los. Über Straßen und Plätze, vorbei an Einkaufsläden und Spielplätzen, an einer Kletterwand und einem Kinderbauernhof bis auf die große Wiese. Es ist fast windstill und so müssen wir immer wieder abwarten, bis eine Bö den selbstgebastelten Drachen in die Luft hebt und dort für ein paar Sekunden tanzen lässt. Der Lieblingskollege muss laufen und laufen und ich stehe da, mit Herrn Baby an der Hand, die Hälse gereckt und staunend in den Himmel schauend. Herr Baby kreischt lauthals vor Aufregung, rennt dann von einem zum anderen, klatscht begeistert in die Hände um dann ein betretenes Gesicht zu machen, weil der Drache jäh vom Himmel stürzt.



Glücksgefühle. Es gibt nur ein Hier und Jetzt. Ich stehe dicht neben dem Kollegen, wir friemeln die verhedderte Schnur auseinander, einer bindet einen Knoten fester, der andere rückt die kleine Metallöse gerade. Zwischen uns turnt Herr Baby herum, der die Elastizität der Drachenschnur prüft und wie ein aufgezogener Duracell-Hase unermüdlich Kauderwelsch plappernd hin- und herrennt. Der Tag soll nicht zu Ende gehen.

Am Abend sind alle erschöpft. Wir sitzen in der Küche und essen schweigend unsere Käsebrote mit Tomaten, Gurkenscheiben und Apfelstückchen und trinken warmen Tee dazu. Die Stille tut gut. Der Tag geht zu Ende, die Worte sind alle gesagt sind und es ist Zeit zum Schlafengehen.



Das Kind schläft. Ich bin müde und will mich auf den Heimweg machen, aber der Kollege winkt mich in die Küche, während er den Wein in die Ikeagläser kippt. Wir sehen uns grinsend an und prosten uns zu. Er fegt mit dem Handrücken ein paar Krümel zur Seite, während ich meinen Arm auf die Tischplatte lege und meinen Kopf sinken lasse. Dann fängt er an zu reden. Über die Gründe seiner Trennung, über das Elternsein, über die Schwierigkeiten, sich zu arrangieren und wie es ist, wenn man sich eigentlich alles ganz anders vorgestellt hat. Ich nippe an meinem Glas, sehe ihn an und er redet weiter. Dass er viel zu tun hat mit der Selbständigkeit, dem Vatersein, dem Freundsein. Wir trinken Wein und er isst Kuchen. Ich verstehen und nicke. So ist das also mit seinem Leben. Und während er erzählt, frage ich mich, wie es kommt, dass er heute zum ersten Mal etwas preisgibt. Einen Schritt in Richtung Freundschaft macht, an einem Tag, an dem ich genau diesen Vertrauensbeweis so gut gebrauchen kann.

Später, als ich mit dem Rad durch die Nacht fahre, etwas betrunken und sehr müde, weiß ich, dass die Murks-Tage vorbei sind. Alles in allem sind sie selten geworden, aber manchmal gibt es sie eben doch noch. Vielleicht, damit ich die Möglichkeit habe, mich zu vergewissern, dass sie vorbei gehen. So schnell, dass sie anschließend schon fast wieder vergessen sind.

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S geht ja doch! Fein für Sie, freu mich.

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Mir fällt gerade so viel Glück in den Schoß. Ganz unterschiedlicher Art.

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Das ist sehr sehr schön! Festhalten!

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So lese ich Sie am liebsten. Das ist toll. Alles.

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Ich freue mich über Ihr Glück. Halten Sie es fest und geniessen Sie es ganz doll.

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@peddi
Als ich das gerade nochmal so las, musste ich mir einen Hang zum Kitsch eingestehen. (Egal. Ist halt so.)

@Frau Ährenwort
Festhalten ist nicht gut. Genießen schon.

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Das mag schon sein, das Sie im Drama stärker schreiben, aber ich lese nun mal lieber, wenn Sie glücklich sind und freu mich mit... :-))

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Das freut mich, danke! :-)
(Da sagte neulich mal jemand zu mir, dass ich hier immer so verrückt wirken würde - oder deprimiert, krank, panne - und in Wirklichkeit doch ganz normal sei. Da muss ich noch eine Weile drüber nachdenken.)

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Als Kind hatte ich auch einen selbstgebastelten Drachen, in rot und orange. Leider flog er nicht ganz so gut. Ich schätzte aber die Geste des Vaters sehr.

Anders vorgestellt, ja. Das haben wir doch irgendwie alle, damals, als wir hoffnungsvoll waren. Das Gute am Leben ist ja aber doch, dass es einem immer neue Möglichkeiten zeigt, das, was nunmal ist, auch ins Gute zu drehen (Hab ich das jetzt geschrieben?).

Ich freu mich!

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ich schließ mich vorbehaltlos meiner vorkommentatorin an.

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Meine ganze Familie hat eine ausgeprägte Leidenschaft für Bastelaktivitäten aller Art. Das hat sich bis heute gehalten und deshalb gibt es an Weihnachten immer auch ein Geschenk, das eigenhändig geklebt, gemalt, gewerkelt wurde. Das mag ich sehr.

Mittlerweile bin ich wieder hoffnungsvoll, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt wie früher. Es ist eben alles anders gekommen und so müssen sich auch die Hoffnungen der Realität anpassen.

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Und? Wurden "Puhdys" gesungen? ,-)
(Waren gar nicht "Karat", habe ich gerade nachgeschaut.)

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Nee, nur "Pur" Kinderlieder. ;-)

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Schön! Genieß es in vollen Zügen :-))))

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Wird gemacht! :-)

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