Sonntag, 8. Juni 2008

"Hase", schreibt Mr. Evil im Chat, "wir haben uns 100 Jahre nicht gesehen und in einer Stunde beginnt da so ein Treffen, direkt bei dir um die Ecke. Lass uns hingehen."

Schon beim Umziehen spüre ich die Vorfreude auf das, was in der Luft liegen wird. Es ist nicht nur eine Verabredung, sondern auch meine Rückkehr in die Szene. Eine Rückkehr zu einem Ort, an dem Leidenschaft und Lust die Hauptrolle spielen und an dem ich mich früher wohl und geborgen gefühlt habe. Und jetzt? Ich weiß es nicht.

Er ist zur verabredeten Zeit nicht am Treffpunkt, also mache ich mich allein auf den Weg und genieße die glucksende Aufregung im Bauch. Es ist voller als erwartet. Ich drängele mich durch die vielen dunklen Gestalten zur Tür, bis sich eine Hand auf meine Schulter legt, mich umdreht und in die Arme schließt. Vertraute und lachende Gesichter erscheinen, die beginnen, aus einer Welt zu erzählen, die so lange weit weg war und die doch so vertraut ist. Innerlich muss ich grinsen über die Absurdität der Situation. Ich. Dort. Endlich.

Dann steht Mr. Evil vor mir, wir umarmen uns kurz und ich hole Zigaretten für ihn und Bier für uns beide. Drei Jahre waren wir abgetaucht, er für sich und ich für mich, aber nun führt uns wieder ein Weg zueinander und wir erzählen uns über unser Leben in der Zwischenzeit. Unsere Probleme sind Allerweltsprobleme. Seine Freundin, mein Verknalltsein, unsere Arbeitssituationen, unsere Träume & Wünsche. Keine anhaltende Dunkelheit mehr, kein Grau in Grau, kein Schlammloch, aus dem ich für ein paar Minuten den Kopf in den Himmel strecke. Stattdessen Zuversicht und der Glaube daran, dass alles gut ist. Klappt das eine nicht, wird etwas anderes das Richtige sein.

Ich erzähle ihm vom Lieblingskollegen. "Die Karten werden neu gemischt, schließlich seid ihr jetzt keine Kollegen mehr", stellt er diplomatisch fest und ich wiege bedächtig den Kopf hin und her, während ich ihn zweifeln ansehe. "Dein Problem ist, dass du immer so verdammt nett bist", sagt Mr. Evil. "Deswegen kann er sich gar nicht vorstellen, was er alles verpasst." Er grinst süffisant, nimmt Zigaretten und Feuerzeug und geht nach Draußen. Meine Blicke schweifen durch den Raum und ich beobachte ein Paar, das mir den Rücken zukehrt. Der Mann hält seine Frau fest auf seinem Schoß und hat den Kopf an ihre Schulter gelegt, während sie ihm leise etwas zuflüstert. Ich schlucke schwer. Mr. Evil kommt zurück und legt seine Hände nebeneinander auf den Tisch. "Du siehst immer so brav aus, so harmlos", sagt er und blickt mich ernst an. "Leg die Karten auf den Tisch und sag ihm, was Sache ist." Ich werde rot und schüttele verschämt den Kopf. "Doch, dann hat er was für's Kopfkino. Und wenn er es nicht wenigstens interessant findet, willst du ihn doch sowieso nicht." Ich seufze und zucke resigniert mit den Schultern. Ich will es nicht hören, will auch nicht drüber nachdenken. Ich will einfach nur unschuldig schwärmen. Ich will nichts Kompliziertes, nichts Schwieriges, sondern will Wolkenhopsen und Zuckerwattelaune.

Wir verabschieden uns. Ich weiß schon jetzt, dass ich beim nächsten Mal alleine gehen werde. Männer angucken. Flirten. Und ich überlege, ob der Sommer 08 nicht genau das Richtige für eine kleine Affäre sein könnte.

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Was immer dir guttut - solange du mit offenen Karten spielst und beide wissen, worauf sie sich einlassen.

(Mir tut der Interimsliebende gut, aus genau dem Grund, den du selbst beschreibst: "Ich will nichts Kompliziertes, nichts Schwieriges, sondern will Wolkenhopsen und Zuckerwattelaune." Wenn das auf Basis einer ernsthaft betriebenen Sache nicht zu kriegen ist, warum nicht anders? Meinen Segen haste jedenfalls (natürlich ohne ihn überhaupt zu benötigen) :))

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Ich spiele fast immer offen und ohne Deckung. Das ist zwar manchmal unschlau und wird von den Außenstehenden kritisiert, aber Versteck- und Theaterspielen sind mir zu anstrengend. (Dafür bin ich auch zu müde.)

Der Lieblingsmann will mich nicht. Aber ich will trotzdem Spaß. Und nun der Monolog'sche Segen, da kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen... ;-)

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Wolkenhopsen und Zuckerwattelaune ist eine gute Idee. Muss nicht immer das ganz grosse Ding sein. Muss nicht immer schwer sein.

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Eben. Wenn das große Ding nicht willig ist, muss das Kleine herhalten.

(Fast gleichzeitig... *g*)

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