Dienstag, 1. Juli 2008

Leise trete ich durch die Tür und stelle mich schweigend hinter das kleine Mädchen. Wir blicken beide in den Spiegel, sehen uns an, aber ich bin nicht sicher, ob sie mich erkennt. Wir lächeln uns an, bis das Kind auflacht, sich umdreht, ich ihr instinktiv die Arme entgegenstrecke und sie an mir hochspringt. Sie schlingt ihre dünnen Ärmchen um meinen Hals, die Beine um meine Taille und verschränkt die Füße hinter meinem Rücken. Ihr Kopf liegt an meinem, während sie mich drückt und ich ihr mit der Hand langsam über ihren Rücken streiche. "Ich passe auf dich auf", flüstere ich ihr leise ins Ohr und wünschte, es wäre mir möglich. "Ich werde dich vor allem Unheil bewahren", will ich eigentlich sagen, aber das geht nicht, denn es wäre eine Lüge, an die ich mich vielleicht später erinnern würde. Ich drücke sie an mich, ganz fest und lange, bis ich wieder Abschied nehmen muss, denn jede von uns muss wieder zurück in ihre eigene Welt, sie in die Vergangenheit und ich in die Gegenwart, auch wenn es unser gemeinsames Leben ist.