Samstag, 31. Mai 2008

Ich habe H. (H1, H2, H3, H4) in einem SM-Chat kennen gelernt. Mittlerweile ist das schon acht Jahre her. Seine Art gefiel mir, dieses Unverklemmte, mit dem er mir das Gefühl vermittelte, nicht nur alles sagen zu können, sondern auch alles fragen zu dürfen - peinliche Dinge inklusive. Wir chatteten oft und gern miteinander, aber wir spielten in der gleichen Liga und so hatte keiner von uns das dringende Bedürfnis, uns unbedingt treffen zu müssen. Vertraute Unbekannte. Ganz normal im Internet.

In your room / There's a bed in the corner / In your room / There's a view over the town / In your room / Your typewriters telling stories / In your room / There are you waiting for me / In your room

Zwei Jahre später begegneten wir uns zum ersten Mal. Ich sah ihn im verabredeten Café stehen, ganz in schwarz, wie er mich mit einem abschätzenden Grinsen betrachtete. Wir küssten uns zur Begrüßung unter einem Mistelzweig, ich schlang meine Arme um ihn und wollte ihn nicht mehr loslassen. Aus einem geplanten Abend mit H. wurde ein verlängertes Wochenende mit ihm und meinem damaligen Freund und am Ende waren wir allesamt ziemlich verdattert über das, in was wir da hineingestolpert waren. Es war wunderbar, aber es ging nicht gut aus. Nicht mit dem H. und auch nicht mit dem damaligen Freund und schon gar nicht in der Kombination.

When I look into your eyes / I look into a mirror / When I look into your eyes / I can see myself / Kings and queens / They have lost their heads / But I've lost my heart / In your room / In your room

Der Kontakt zwischen H. und mir war schwierig und immer eine unvollkommene Balance aus Nähe und Distanz. Ich war erst genervt und dann verletzt, als ich bemerkte, dass sein Hang zu Halbwahrheiten ganz offensichtlich System hatte. Trotzdem konnte mich nicht von der Vorstellung trennen, dass wir irgendwann mal ein Paar werden würden. Für immer. (Natürlich.) Weil es sich in seinen Armen so gut anfühlte. Weil er mir Selbstvertrauen schenkte, so dass ich mich selbst kaum wiedererkannte. Weil er mir gut tat.

I'd like to crawl into you / Come cover me with love / I'd like to crawl into you / Come cover me with love / I'd like to crawl into you / Come cover me with love / Til were had enough / And we never get enough / In your room

Sechs Jahre sind vergangen und die letzten Minuten vor dem Wiedersehen sind voll von kribbeliger Vorfreude & Herzklopfen. Er sieht anders aus als damals, er trägt hell. Wir nehmen uns in die Arme und es fühlt sich ein bisschen wie früher an, aber als wir uns später gegenüber sitzen, wollen die Worte nicht kommen, will kein Gespräch entstehen. Ich blicke ihm in die Augen und er ist weit weg, so weit, dass ich ihn nicht erreichen kann, obwohl uns kein halber Meter voneinander trennt. Er lebt jetzt für sein Hobby. Er fotografiert. Bei diesem Thema blitzt die Leidenschaft in seinen Augen und sie erlischt, sobald ich etwas von mir erzähle. Erst, als wir uns voneinander verabschieden, auf der Schwelle meiner Wohnungstür, kommt er mir nahe. Er legt die Arme um mich und drückt mich an sich oder drückt sich an mich. Jedenfalls stehen wir eng umschlungen da, mein ganzer Körper berührt seinen, von oben bis unten, die Wangen aneinander, Brust, Bauch, Schenkel - so nah. Die Intensität dieser Nähe fühlt sich gut an und sie hält lange dreißig Sekunden, bis er mich freigibt und mir einen Blick zuwirft, den ich nicht deuten kann. Sehnsucht, Abschied, Traurigkeit. Ich weiß es nicht.

There are worlds beneath the world / And they are covered under blankets / In your room / In your room

Abschiednehmen von Träumen. Das ist so schwer und schmerzlich. Wir haben uns in einer Phantasie verloren, die nur in unseren Köpfen existierte, ohne einer Rückversicherung in der Realität. Sechs Jahre, in denen er fast erwachsen geworden ist und in denen ich von einem dunklen Abgrund in den nächsten gestolpert bin. Da sollte mir schon mein logischer Verstand sagen, dass es so kommen musste. Nur gut, dass mein Herz mir sagt, dass irgendwann ein Mann kommen wird. Der mich liebt. Und dass ich mich dann nicht mehr mit Phantasien begnügen muss.

(Fury in the Slaugterhouse. "In Your Room")