Mittwoch, 7. Mai 2008

Mimi und ich kennen uns seit über 20 Jahren. Freundinnen wurden wir erst Jahre später. Heute ist Mimi die Frau, die mich am besten kennt, auch wenn ich vieles verschweige, was ich ihr eigentlich erzählen sollte. Der Begriff "beste Freundin" passt nicht so recht auf uns, denn dafür fehlt wohl ein Stückchen Offenheit, aber was sind schon Worte, wenn die Zeit und das Gefühl stimmt. Unsere Cafébesuche finden wöchentlich und mit einer Regelmäßigkeit statt, dass sie fester Bestandteil in unseren Leben sind.

Geteilte Geschichte. Studienzeit, Abschlüsse, strapaziöse berufliche Entwicklungen, Umzüge in schöne und hässliche Wohnungen, Affären, Liebschaften, Beziehungen, Zusammenziehen und Trennen, Familienkram mit unseren Eltern und Geschwistern und sehr viel gemeinsam verbrachte Zeit. Es ist gut, Mimi in meinem Leben zu haben, weil sie eine Konstante ist, die alles zu überdauern scheint, die alles erträgt, mitleidet, sich für mich freut und mir in den Arsch tritt, wenn es sein muss. Genau wie umgekehrt.

"Ok", sagt Mimi, als wir uns im Café gegenüber sitzen, "zeig mal die Bilder!" Ich wühle in meiner Tasche und reiche ihr zwei Farbdrucke mit dem Gesicht vom Lieblingskollegen. "Der ist ja blond", quietscht sie los und sieht mich entsetzt an. "Hmja", murmele ich. Was bedeutet schon eine Haarfarbe, wenn er strubbelige Monchichihaare hat, die ich am liebsten zerwuscheln würde, in denen ich meine Nase vergraben will und deren Farbe mir letztendlich doch egal ist. "Dafür kann er entzückende blonde Kinder machen", werfe ich mit einem grinsenden Strahlen ein und sie nickt zustimmend. "Er sieht echt nett aus", fährt sie versöhnlich fort. Ja, er sieht verdammt nett aus. Freundlich, lustig, melancholisch, nachdenklich, charmant. Er hat lachende Augen und einen schönen Mund. Sie zeichnet mit dem Finger seine Gesichtsform nach und sagt ernst: "Jetzt wird es Zeit, dass du ihn systematisch um den Finger wickelst.“ Wir schauen schweigend auf das Foto, das vor uns auf dem Tisch liegt, dann schaut sie mich an. „So was", sagt sie und zieht am Ärmel meines Hemdes "kannst du nicht mehr tragen. Das sieht nicht sexy aus. Ab jetzt nur noch tiefe Ausschnitte und rote Lippen. Und lass die Brille weg", sagt sie und grinst vielsagend. Ich stöhne auf und muss doch lachen. Aber sie gerät gerade erst in Fahrt. "Und wie sieht's an der Unterwäschefront aus?", fragt sie forsch. "Mimi!" Ich bin ein bisschen verdattert und will diesen Gedankengang auch gar nicht weiterführen. "Geh einkaufen...", sagt sie weise und dann muss ich ihr erst einmal erklären, dass ich nicht vor habe, mich überhaupt auszuziehen. "Er ist doch mein Kollege!", erinnere ich sie. "Ja, ich weiß, du willst nur Händchen halten und deine Nase in seine Halsbeuge stecken." Sie stöhnt und ich grinse sie an. "Wenn ihr erstmal soweit seid, kommt der Rest ganz automatisch und es wird alles gar kein Problem sein", sagt sie, unromantisch, berechnend und luderlike. Das hätte ich früher auch gesagt, aber heute scheint alles anders, schwieriger und komplizierter. Und ich bin voller Hemmungen und Selbstzweifel.

"Morgen rufst du ihn an und fragst, wann ihr euch seht", sagt sie zum Abschied. "Klar", nicke ich, weil der Dienstagabend als Anruftermin schon seit Sonntag feststeht, weil ich diese Fixpunkte zum Festhalten brauche. "Und denk dran, ich will ihn bald angucken." Ich nicke. Sie wird ihn mögen. Ich mag ihre Männer und sie mag meine Männer, so war es schon immer, ganz ohne Ausnahme, denn wir haben beide einen guten Geschmack, auch wenn das Haltbarkeitsdatum über ein paar Jahre nicht hinausreicht.

Die Gedanken, die Vorstellungen, sind zart und zerbrechlich, alles muss langsam und vorsichtig geschehen. Ich weiß nicht, was ich will. Vielleicht, weil ich so große Angst vor den großen Gefühlen habe. Vor Nähe und Sehnsucht, vor Liebe, Intimität und dem ganzen unerträglichen Pärchenquatsch, der so verdammt romantisch sein kann.