Donnerstag, 31. Januar 2008

Ruhe & Stille
Ausgeglichenheit für den Moment. Viel Gutes für die Seele in den letzten 24 Stunden, trotz Wut, trotz Tränen, trotz Verzweifelung.

Unser zweites Treffen soll eine Entscheidung bringen. Soll ich, soll ich nicht, soll ich...

Ich erzähle wieder und die Frau aus L. fragt nach, redet mehr als beim letzten Mal, was mir gut tut und Sicherheit gibt, schreibt viele Seiten Papier voll und malt dabei wilde Bögen auf ihr Blatt.

"Was ist das Schlimmste, was Ihnen hier passieren könnte?", will sie wissen und ich erzähle von meiner Angst andere zu nerven, zu langweilen, zu belasten und fürchte doch so sehr, dass sie genau dieses Gefühl mir gegenüber hegen wird - irgendwann. Atmen. Dieses Schuldgefühl, eine Zumutung für andere zu sein, sitzt tief. Atmen. "Warum sind Sie denn gerade so traurig", fragt sie leise und ich schlucke schwer und versuche zu fühlen, was da so tief in mir kämpft und ich erzähle ihr von der Schuld die ich empfinde, weil ich meiner Mutter eine so große Belastung bin. Sie hat sich doch damals nur ein Baby gewünscht, ein unschuldiges Kind später und irgendwann eine Erwachsene, die sie respektieren kann. Bekommen hat sie ein Monstrum, an dem sie verständlicherweise ihre Enttäuschung auslässt. Atmen. Es tut mir so leid, dass ich sie enttäuscht habe. Ich verstehe nicht, was so verkehrt an mir ist, dass es nie ausreichend ist, immer kritikwürdig. Deshalb tue ich mir auch selbst leid, weil die zu tragende Schuld so schwer ist und sich in meinem Bauch eine dicke und harte Kugel voller Tränen gebildet hat, die ich jeden Tag schmerzlich spüre.

"Das Symptom", erkläre ich, "ist etwas, worüber ich schwer reden kann". "Wir brauchen nicht viel darüber reden, es sei denn, es beschäftigt Sie." Verwirrt sehe ich sie an, fragend. "Sprechen Sie aus Erfahrung?", will ich wissen und sie nickt und erklärt, dass es nicht um das Symptom geht, denn das wir besser werden. Es geht um Gefühle, "da drin", sagt sie und klopft sich mit der Hand auf ihr Herz. Ja, denke ich, die ist es.

Ich möchte wissen was Frau aus L. über mich denkt, über das, was ich ihr vor knapp zwei Wochen und heute erzählt habe. Ob es ihr zu schlimm ist. "Glauben Sie, dass ich ein unheilbarer Fall bin?", presse ich mühsam hervor und sie lächelt und schüttelt den Kopf. "Naja, das müssen Sie ja jetzt sagen, das ist schließlich Ihr Job," gebe ich zurück und muss ein bisschen grinsen und sie lacht leise und redet dann mit guten und bedachten Worten zu mir, die ihren Weg in mein Herz und meinen verdammten Kopf finden.

Auf dem weiten Weg zur S-Bahn lasse ich die Tränen laufen und es fühlt sich gesund an. Es ist nur ein minimaler Teil von denen, die noch folgen müssen. Aber es ist ein Anfang.

Ruhe & Stille
Ausgeglichenheit für den Moment.
Viel Gutes für die Seele in den letzten 24 Stunden, trotz Wut, trotz Tränen, trotz Verzweifelung.
[Edit: Nur Formulierungskram]

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Sehr bewegend, sehr ehrlich. Vielen Dank fürs Teilen!

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Vielen Dank.

(Ich hoffe, Sie haben Ihre Zaubernüsse bekommen und gesunden schnell!)

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ja, schön und berührend, für Sie, aber auch für mich, also bitte glauben Sie bloß nie, mich hier zu nerven, zu langweilen, oder gar eine Zumutung zu sein, ich empfinde Ihre offenen Gedanken immer als Bereicherung...

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Vielleicht ist diese Offenheit ja genau deshalb möglich, weil sich da oben rechts so ein kleines Kreuz befindet. Das ist ganz einfach zu bedienen, da muss ich nicht allzuviel fürchten.

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Ein Anfang, oder? Ich wünsche Dir ganz viel Kraft und weiterhin so gute Begleitung!

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Wie sehr ich das hoffe. (Allerdings nicht zum ersten Mal.)

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Das klingt gut. Ich hatte gehofft, daß sie die richtige getroffen haben.

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Ein bisschen mehr vertrauensvoller Glaube für mich und ein Danke für Sie.

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Wie schön, dass sie doch stärker ist als befürchtet.

Tränen, oh ja. Das ganze böse, alte Zeug muss rausgeschwemmt werden.

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und wie schön, dass du die kraft hast und so stark bist, mit ihr zu reden. das kostet so viel mut und überwindung. macht angst. und genau deshalb finde ich es unglaublich mutig und bemerkenswert, dass du diesen schritt für dich gehst/gehen kannst. ich drück dir fest die daumen, dass immer mehr momente ruhe, stille und ausgeglichenheit spürbar machen.

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@monolog
Aber die große Angst: Ich habe doch alles x Mal durchdacht und hin & her gewuchtet. Aber nicht genug? Ist da noch mehr? Was soll es helfen? Bisher wurde es nur schlimmer und schlimmer, je mehr die Gedanken kreisten.

@amy
So stark, da muss ich lächeln. Ich sehe nur noch diese letzte Chance, alles oder nichts, deshalb ist die Bereitschaft so groß. Gestern begann ich zu fragen, wie man wohl vorgehen müsse, welche Strategie für mich die richtige wäre, aber die Frau aus L. sagte ganz klar, dass wir ohne Konzept vorgehen werden, sollten wir gemeinsam vorgehen. Das gefiel mir. Bloß nicht zuviel Kontrolle aber trotzdem genug Reflexion.

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auch eine letzte chance für sich zu ergreifen, braucht stärke. genauso wie die kontrolle über den weiteren weg in den gesprächen, den plan dahinter ein wenig aus der hand zu geben, loszulassen. in meinen augen passt das wort noch immer. ;-)

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Den Gedanken habe ich auch immer. Und doch, du selbst, man selbst, kann reflektieren wie man will, kann sich das Hirn zermartern, man bleibt gefangen in seinen eigenen Gedanken. Nicht die Erkenntnis ist es, was fehlt, sondern der Weg heraus aus der Misere, und ein wenig auch das Begreifen der Zusammenhänge. So geht es mir jedenfalls. Ich staune und staune, was da was bewirkt und was womit zusammenhängt.
Und darüber, wie eine simple Frage mein ganzes Kartenhaus aus Argumenten und Gedanken zusamenstürzen lassen kann - zum Guten.
Ansonsten stimme ich Amy zu; Stärke zeigst du in dem Moment, in dem du entscheidest, diese Chance zu nutzen.

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Es irritiert mich so, dass ihr zwei mir Stärke zusprecht. Gerade ihr, obwohl ihr beide einen großen Schritt vor mir steht! Im Leben draussen bin ich es gewöhnt, da ist stark sein ganz eng verknüpft mit meiner Person. Aber hier, wo sich nach meinem Empfinden all meine Schwäche zeigt, kommt ihr daher und sprecht von Stärke. (Nachdenken.)

Von einem Kartenhaus habe ich gestern auch gesprochen. Und meiner Angst, es nicht zulassen zu können, dass sie an einer der unteren Karte ziehen wird. Aber gut, sie weiß jetzt, dass sie eventuell hartnäckig sein muss, denn ich habe sie darum gebeten. (Vielleicht ziehe ich ja auch selbst. Momentan kann ich noch nicht recht dran glauben.)

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Es gehört eine Menge an Stärke dazu, sich selbst zu erkennen - und die eigenen Grenzen. Sie zu akzeptieren und weitere Schritte zu gehen, nochmal eine Menge mehr.

Wichtig scheint mir, dranzubleiben. Weiterzugehen, auch wenn es wehtut. Weil es wehtun muss, um besser werden zu können.

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aber es ist immer noch die dosis, die das gift macht. wärs nicht eine spur leichter, mit einer der oberen karten anzufangen und die unteren anzugreifen, wenn etwas mehr sicherheit und kraft dazu gekommen sind?

stärke im leben da draußen hat, meiner meinung nach, nicht viel zu sagen. ich höre seit jahren von meinem umfeld, ich wäre der stärkste, selbstbewussteste, unerschütterlichste mensch, den man sich nur vorstellen kann. und wo bin ich jetzt? stärke zeigt sich, meiner ansicht nach, darin, inwieweit man bereit ist, den wohlbekannten boden zu verlassen und sich dem zu stellen, was mut erfordert.

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"Es irritiert mich so, dass ihr zwei mir Stärke zusprecht. [...]"

Wie gut ich diese Irritation zu kennen glaube. Das Aufmunternde, Anerkennende, manchmal gar ein bewunderndes "so möcht' ich auch sein". Wünsch dir das nicht, will ich dann sagen, schweige aber, nicke dazu, jaja, geht schon.

Meine Irritation: Das da einer außerhalb steht und sich eine Fähigkeit, eine Eigenschaft wünscht, die er selbst nicht besitzt. Pars pro toto, er nimmt die Eigenschaft fürs Ganze. Diese sieht er und nicht die ganze Schlangengrube, den Sumpf, aus dem jenes Pflänzchen erwächst, das dann Stärke vortäuscht. Wohl aber auch trivial: Wie denn jeder die eigenen Begabungen für selbstverständlich ansieht, sie bei anderen voraussetzt und bei diesen neben all den solcherart unterstellten Eigenschaften auch noch die bei ihm selbst nicht vorhandenen, erstrebenswerten Anlagen des Gegenüber wahrnimmt. (Und nimmt für wahr, was oft falsch oder zumindest wurmstichig ist.)

Auf obige Kommentare bezogen bleibt das alles selbstredend nur Vermutung. Da ich nicht weiß, wer hier jemanden wie gut kennt, zu kennen glaubt, über den anderen Bescheid weiß.

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es wäre auch möglich aufzugeben und in schlangengrube und sumpf unterzugehen. bis zum völligen verschwinden. sich allerdings zu überwinden, aus dieser gänzlich ausweglos erscheinenden situation einen hoffnungsschimmer zu entwickeln und eine chance, sei es auch die letzte, zu nützen, ist für mich nicht selbstverständlich.

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"Wünsch dir das nicht, will ich dann sagen, schweige aber, nicke dazu, jaja, geht schon."

Das gilt bei mir nur für das echte Leben.
Hier werde ich das wohl niemals sagen müssen. Heulcontent garantiert, das wissen die beiden nur zu gut. Traurig auch, dass ich wohl nie so offen zu meinen Freunden war und bin, wie ich es hier sein kann, wenn ich meine Monologe halte und den Dingen Platz einräume, an denen ich mich sonst verschlucke und die mir so quer im Magen liegen.
Zwei Jahre lang habe ich darauf verzichtet und vielleicht kommt daher auch die Zuschreibung. Das ich mich entscheiden konnte, nochmal an eine andere Zukunft zu glauben, aus der Einsicht heraus, dass der Lebenswille am Erlöschen war.

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sub specie aeternitatis
"es wäre auch möglich aufzugeben und in schlangengrube und sumpf unterzugehen [...]" Die Möglichkeit des Untergehens und Verschwindens besteht durchaus, sie ist, oft weniger spektakulär als die verzweifelten Schwimmbewegungen dessen, der sich da dem Ertrinken zu verweigern trachtet, der Ruhe wegen, mit dem das Wasser über den Betreffenden zusammenschlägt, vielleicht die häufigere. Im übrigen manchmal auch tröstlich, eine um den Hals geschraubte Korkplatte, die ein Versinken hindert, schiene mir von noch größerem Übel.

Sind's Chancen? Oder beliebiges Umherschlagen, Greifen nach allem, was da irgend Hilfe verspricht? (Mir fällt so nebenher ein, dass ich durch derart fortgesetzte unkoordinierte Bewegungen tatsächlich das Schwimmen erlernte. Leider beschränkt auf das tatsächliche Über-Wasser-Halten ...) Da ich aber die "Situation" nicht kenne phantasiere ich selbstredend ins Blitzblaue.

"Das gilt bei mir nur für das echte Leben." Tja, und da sitzt man (ich) dann wieder und versucht echt von künstlich zu trennen (aber der Antonyme sind wesentlich mehr) und hat ein wahres und ein virtuelles Leben, irgendwann aber nur noch ein Mischmasch und keine Zentrifuge der Welt kann die - eingebrockte - Suppe noch trennen. Aber wahrscheinlich ist meine eigene Funktionsfähigkeit in diesem als "echt" apostrophierten Leben derart eingeschränkt, dass ein solches Unterscheiden kaum noch möglich ist. Dafür rattert und stottert die Apparatur zu sehr.

Ob das nun gut oder schlecht ist, weiß man auch nicht. Und man sucht sich ja nicht mal aus, ob man eine solche Trennung vornimmt, in der Grundschule wird einem auf theoretische Weise der Unterschied zwischen Agens und Patiens beigebracht, aber man weiß schon zuvor, dass es einen veritablen Unterschied macht, ob man eine Ohrfeige austeilt oder erhält. Und dass es mit der Freiheit in beiden Fällen nicht immer weit her ist, wobei das Kind nach erfolgter Züchtigung häufig auf später vertröstet wird: Es werde verstehen, irgendwann (und wenn es bis zum Jüngsten Gericht warten muss). Was denn auch häufig der Fall ist, blöderweise lässt dieses Gericht nämlich zeitlebens auf sich warten.

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Immer schön die Plörre durchrühren...
Es geht ja nicht darum zwei seperate Leben zu leben, aber das eine ist viel strahlende Fassade ("Klar, ist alles ok, ja ja, kein Problem, alles gut, bestens sogar!"), das andere beweint das Leben (hier zu lesen). Ein bisschen mehr von dem einen ins andere und umgekehrt wird sicher auch irgendwann wieder möglich sein.

Ich warte auf kein Gericht, lieber veranstalte ich selbst die Verurteilung.

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frau v.l. erinnert mich stark an frau m. , die schon oft von mir hörte, dass sie mir berufsbedingt die seele streichelt, berufsbedingt mit einer hand den rücken aufrichtet, ....
doch nach jahren (!) glaube ich ihr langsam, dass sie vieles gibt was ich nie vorher bekam. ausser dem werkzeug, was ich brauche um zu leben; schlüpft sie enorm geduldig in eine art gegenüber, einen spiegel den ich ertrage anzuschauen. und trotzdem schimmert auch IHRE person in den reflektionen. sie arbeitet, kämpft, verzweifelt, fällt in ohnmacht - mit mir.
ich wünsche ihnen eine kürzere zeit, um so zu vertrauen.

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Ich hoffe es so sehr, weil dieses Misstrauen in ernstgemeinte Zuneigung doch eine meiner größten Schwachstellen ist.

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ja, meine auch.
deswegen arbeite ich jetzt endlich daran. weil, die grösste schwachstelle macht die grössten ängste, ist so zu sagen der mittelpunkt. misstrauen ist ein schutz, ein berechtigter! zu verstehen warum man den so nötig hat, wäre gut. verstehen mit logik UND gefühl, irgenwann....

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zu verstehen warum man den so nötig hat, wäre gut.
Schon beim Lesen dieser Worte verspüre ich ein grenzenloses Unbehagen, darüber auch nur Nachzudenken.

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das würde ich mir zwar merken, aber dann auch gleich vergessen, bitte....
ich habe gelernt, nicht allem auf den grund zu gehen, es sei denn ich möchte es.

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Alle paar Monate könnt ich hier kommentieren: Monumental. Aber das wär´ inflationär.

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Das notiere ich mir einfach mal. Vielleicht spendet es irgendwann noch Trost.

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