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Montag, 29. Dezember 2008
Wieder in der Spur.
(Man muss sich nur selbst gut zureden.)
Donnerstag, 25. Dezember 2008
Der Schlacks nervt am Heiligen Abend. Wir waren für den ersten Weihnachtsfeiertag verabredet, zumindest dachte ich das. Nun stellt sich heraus, dass er irgendwie nur so halb kann, zwischendrin. Fairerweise erinnere ich mich später, dass die Sache noch nicht richtig festgeklopft war, dass ich ihm noch eine definitive Zusage hatte geben wollen. Also bin ich selber Schuld am Vermurksen und es ist eine Mischung aus Enttäuschung und Ärger, die mich innerlich nörgelig werden lässt. Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht - ich kenne mich doch.
"Lass uns nachher treffen", schreibt er schließlich, aber in der Heiligen Nacht treffe ich meine Mädchen und davon wird mich kein Mann der Welt abhalten, nicht einmal eine dringend ersehnte Knutschoption. Nach einer Menge Hin und Her biete ich ihm an, uns Gesellschaft zu leisten, und schicke forsch eine Frühstückseinladung für den anschließenden Morgen hinterher. Er ist am anderen Ende der Stadt, es ist sehr spät, er lehnt ab. Ich merke, dass ich drängele, ihn sehen will, ihm hinterherrenne, ihm nahe sein will, mich anbiete. Schlampe, denke ich bei mir und muss dann doch wieder grinsen, weil es auch eines dieser Gefühle ist, die ich so lange vermisst habe. "Treffen fällt also komplett aus?" sende ich eine letzte Frage samt schnippischem Unterton in seine Himmelsrichtung und schalte dann das Handy aus, damit der Rest des Abends den Mädchen und den Cocktails und den vielen Geschichten des Lebens gehört.
Die Nacht ist lang und als ich endlich im Bett liege, kann ich nicht schlafen. Reizüberflutung. Die Gedanken drehen sich in meinem Kopf. Um die verzweifelten Tränen meines Vaters am Nachmittag, wegen der Frau, die ihm so schrecklich zusetzt. Um meine Sehnsucht nach dem Philosophen, der so weit weg ist, unerreichbar und unantastbar. Um meine Mutter, die am Telefon zum ersten Mal seit langem anfängt zu nerven, weil nicht alles nach ihrem Willen läuft. Um meine Tante, die beim Bescheren einen kleinen Koller kriegt, weil ein bestimmtes Weihnachtslied zweimal hintereinander gespielt wird. Um die kleine Miss, weil sie nicht dabei ist und die mir so sehr fehlt an diesem besonderen Tag.
Nach vier Stunden Schlaf beende ich die Nacht. Beim Kaffeekochen kommt eine SMS: "Nicht beleidigt sein. Komme um 23 Uhr und übernachte bei Dir. Was denkst Du?" Ich spüre diese verrückte Mischung aus Übermut und Erleichterung, aus Überforderung und Anspannung, aus Angst und Vorfreude. Ich kann nicht klar denken. Mir ist alles zuviel, zu unspontan, zu nah, zu direkt und doch will ich ihn hier haben, will nach Jahren (oh Gott!) sehen, wie das eigentlich ist mit dem Knutschen und jemandem körperlich nahe zu sein. Ich sage zu. Und muss lachen, als noch ein "Schön, ich werde in deinem Bett schlafen" hinterher kommt. Als ob er meine Gedanken erraten hätte.
Mittwoch, 24. Dezember 2008
Ich habe ein paar Kerzen angezündet. Ist schließlich Weihnachten, ob mit oder ohne Familie.
Liebe und Frieden und so!
Vergessen Sie das bitte nicht. Und halten Sie alle die Ohren steif.
Dienstag, 23. Dezember 2008
Immerhin gibt der Doktor zu, dass er beim ersten Mal wohl nicht gründlich genug geschnitten hat. So muss die Cuttingsession vom Sommer wiederholt werden, während ich verdrießlich nicke und meine Einwilligung gebe. Aber anstatt sich ordentlich zu entschuldigen, murmelt er während der Untersuchung immer wieder Worte des Erstaunens, denn so etwas ("komisches Dings") hat er noch nie gesehen und überhaupt sehe das alles seltsam aus.
"Ich schneide Ihnen einfach komplett die erste Narbe weg, die ist ja eh nicht schön geworden", sagt er mit gekrauster Nase, während ich in einem kahlen Raum auf dem OP-Tisch liege. Ich werfe ihm einen beunruhigten Blick zu, schließlich wissen wir beide, wem ich die erste Narbe zu verdanken habe. "Und natürlich den ganzen Rest", fügt er schnell hinzu und macht sich auch gleich an sein blutiges Werk, während er unentwegt vor sich hin plappert und ich missmutig den Kopf zur Wand drehe.
Alles gut gegangen. Ich bin ja schon mit Kleinigkeiten zufrieden.
Dienstag, 23. Dezember 2008
Der Schlacks kam Ende 2004 und ging Anfang 2005, direkt bevor sich das große Elend in meinem Leben breit machte. Wir chatteten zwei Abende lang und fanden ziemlich schnell eine in der Vergangenheit liegende Gemeinsamkeit heraus. Es war der ultimative Pluspunkt. Ähnliche Sozialisation, viele Gemeinsamkeiten, einfacher Gesprächsfluß ohne viel Klärungsbedarf. Wir fanden uns gut. Es war so einfach.
Wir verabredeten uns. Er brauchte eine CD, die ich ihm ausleihen wollte, also kam er vorbei. Es folgten ein paar Wochen, an denen wir uns täglich sahen und viel redeten. Über früher, Kindheit, Eltern, Schule, über seine Promotion, über meine Arbeit, über Beziehungen, Freunde, Sexualität, Zukunftsplanung, Enttäuschungen und die große Liebe. Den Rest der Zeit verbrachten wir im Bett. Ich war irritiert darüber, wie wenig es mir mit ihm gefiel. Ich fand ihn attraktiv und begehrenswert, aber wir passten nicht zueinander. Egal, dachte ich störrisch, das wird schon. Ich zelebrierte stattdessen das tagtägliche Zusammensein. Das gemeinsame Kochen, Reden, Teetrinken, Herumalbern, Vorlesen, Fernsehen, Toben und zusammen Einschlafen.
Der Knall kam wenige Wochen später. Ich wollte ihn. Er wollte mich nicht. Ich wollte eine Beziehung. Er wollte Freundschaft mit Sex. Ich lehnte ab und wir sahen und hörten uns lange Zeit nicht wieder.
Zwei Jahre später kam sein Anruf unerwartet. Er lebe jetzt in einem anderen Land, würde viel Geld verdienen und hätte gute Aufstiegschancen, erzählte er. Nun sei er in der Stadt und wolle mich sehen. Aber ich saß tief versunken in meinem Schlammpfütze, hörte aus der Ferne seine Worte, erinnerte mich dunkel an unsere Begegnung und erfand eine Ausrede, warum ich keine Zeit hätte und überhaupt.
Google sei Dank bekomme ich seine Mailadresse heute auf den ersten Klick. Ob er Weihnachten in die Stadt kommt. Ob wir uns treffen.
Mein Telefon klingelt nur wenige Stunden später. Der Schlacks ist dran. Das Reden fällt uns noch immer so leicht wie bei unserem Kennenlernen und anstatt uns kurz auf einen Termin zu einigen, reden und reden wir. "Lass uns lieber am Abend treffen, dann haben wir mehr Zeit", schlägt er mein Frühstücksangebot aus und lacht dabei ein bisschen unsicher. In Gedanken schiebe ich meine Verabredungen in eine neue Reihenfolge und sage zu.
"Der Sex war damals mies", erinnert mich Mimi spitz, als ich ihr von der Verabredung erzähle. "Ich würde halt gerne mal wieder knutschen", sage ich und sie nickt zufrieden. Weihnachtsknutschen also. Wenn das kein guter Plan ist.
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