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Montag, 12. Januar 2009
Eine Woche: Drei Tage in der Anstalt. Eine Käseplatte mit Mimi und ein Besuch beim Italiener mit dem I-Punkt. Der Kloppitreff. Vier Yogastunden. Ein Besuch beim Opa. Zweimal Schlittschuhlaufen mit der kleinen Miss. Eine lange, flirtreiche Nacht beim Szenetreff. Ein Nachmittagabend mit der Tatze und ihrer Tochter, dem Glitzerfunkelsternchen. Ein Frühstück mit Mr. Sweet und Kaffeetrinken mit Papa. Zwei lange, schöne Telefongespräche mit Freunden und ein holpriges mit einem Unbekannten. Chatten, Mailen, Bloggen, Surfen.
Trotzdem scheint die verbleibende Zeit unendlich. Stunden, in denen die Gedanken um den Fremden kreisen. Um Wünsche und Bedürfnisse, Ansprüche und Hoffnungen, Wissen und die Realität. Seit unserem ersten richtigen Treffen ist eine Woche vergangen und wir haben in den letzten Tagen nur wenige Worte per Mail gewechselt. Zu wenige, für meinen Geschmack. Ich bin unsicher, fürchte Zurückweisung, Ablehnung, Gleichgültigkeit. Ich bin in einer Rolle gefangen, die mir fremd ist, die mir Angst macht und mich in die Defensive drängt.
Unsere Distanz hat eine erregende Wirkung. Der Reiz liegt darin, dass der Fremde absolut nichts über mich weiß, außer meinen erotischen Fantasien. So bekommt die ganze Liaison einen etwas schmuddeligen und billigen Beigeschmack, der mir durchaus gefällt, den ich reizvoll und anziehend finde. Er schlägt ein weiteres Treffen in der nächsten Woche vor, umreißt kurz das Setting, dem ich zustimmen soll. Es gibt kein Wunschkonzert für mich, aber er will es so und das reicht aus. Noch Stunden nach meiner Zusage spüre ich meinen aufgebrachten und empörten Verstand auf mein Gewissen einwirken. Ich bin entsetzt, dass es keinerlei Zwang seinerseits bedurfte, keinerlei Überwindung meinerseits, um das ja in die Antwort zu tippen, mit dem ich auch dieses Mal meine selbstauferlegten Tabus brechen werde.
Trotzdem. Ich kann ihn nicht abstellen, den Wunsch nach mehr. Den Wunsch nach Seele, nach Nähe, nach Austausch. Ich will ihn kennenlernen, will ihn ganz, nicht nur diese eine Facette des Sexuellen und Abnormen. Ich will hinter die Fassade schauen, will ihn spüren, seine Abgründe erkunden, seine Stärken und Schwächen verehren (ich liebe sie einfach zu sehr, die menschlichen Schwächen), will wissen, welche Gedanken ihn am Tag begleiten und welche in der Nacht. Will ihm gefallen und an seiner Seite knien, bei ihm sein, seinen Kopf auf meiner Brust spüren, seinen Atem in meinem Nacken, seine Hände überall, mein Gesicht in seinem Herz vergraben.
"Hör auf mit diesem schrecklichen Liebesgefasel", sagt der Süd-Mann in strengem Ton.
"Ich höre auf mit dem Liebesgefasel", echoe ich und versuche es. Versuche es wirklich.
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