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Sonntag, 21. Dezember 2008
"Hallo, mein kleines Schätzchen." So begrüßt mich mein Vater am Telefon. Jedes Mal. Es ist schön, dass er mich immer noch so nennt, auch wenn ich längst zu einem großen Schatz herangewachsen bin.
Er redet ein bisschen über das gestrige Familientreffen, von seinem schlechten Gesundheitszustand und dass er der kleinen Miss nicht beim Weihnachtssingen zuhören konnte, weil alles anders lief als geplant. Es sind noch fünf Tage bis Heiligabend und bisher haben wir es beide vermieden, das Thema anzuschneiden, das für uns so schwer zu besprechen ist. Ich habe mich entschieden, in diesem Jahr dem Familienzirkus zu entgehen, mit dem Vorsatz, eine Begegnung mit der Frau zu vermeiden. Sie ist es, die jedes gemeinsame Beisammensein durch ihre Launen bestimmt und der es oft genug gelingt, die Stimmung aller Anwesenden komplett zu ruinieren, auch wenn wir anderen hartnäckig mit unseren Sonnenscheingemütern dagegenhalten.
Der eigentliche Plan war, meinem Vater diese Entscheidung mitzuteilen. Aber stattdessen frage ich lahm und durch die Philosophengeschichte reichlich mitgenommen: "Und was ist mit Weihnachten?" Erstmal sagt er nicht viel, schlingert unsicher herum, um sich langsam vorzutasten, bis es schließlich heraus ist. "Du kannst Weihnachten nicht kommen." Es von ihm zu hören, hinterläßt ein anderes Gefühl, als wenn ich die Entscheidung selbst mitgeteilt hätte. Es tut weh. Aber wenigstens ist es heraus und er kann nicht einfach so tun, als wäre alles in Ordnung. Wir spüren beide, dass es die Sache auf die Spitze treibt, dass es schonungslos die krankhafte Beziehung der beiden offenlegt.
Ach Papa. Wie gerne würde ich dir ein wenig von meiner Stärke und Konsequenz abgeben, damit du endlich den Schritt machen kannst, dieses Desaster zu beenden.
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