Dienstag, 20. Mai 2008
Irgendwie will die Sache mit der Frau aus L. nicht so laufen, wie ich es mir wünsche. Erst dachte ich, dass es mir vielleicht zu gut geht, als dass ich Lust hätte, mich mit dieser ganzen deprimierenden Psychokacke auseinanderzusetzen, aber das ist es nicht. Sie ist eine sehr liebe und freundliche Person, ist aufmerksam und nett. Aber das war es dann auch. Was fehlt, sind die richtigen Fragen. Denkanstöße aus einer Richtung, die mir bisher nicht in den Sinn gekommen sind. Und manchmal auch ein paar harte Fragen und die entsprechenden Wahrheiten. Aber alles was ich bekomme ist ein Nicken und ein "ja, Sie sind auf dem richtigen Weg", gefolgt von noch mehr Zustimmung und garniert mit einem guten Tipp, zu dem ich wiederum
Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ob ich tatsächlich 25 Stunden absolvieren muss, um mich dann enttäuscht zu fragen, ob es das nun gewesen ist. Immerhin hätte ich dank meines Hanges zur Pflichterfüllung ein gutes Gefühl ihr gegenüber.
Les Kloppis sind dafür der Hit. Jede Woche auf's Neue.
Dienstag, 29. April 2008
Viermal Kloppitreff. Selten habe ich mich so schnell an einen zusammengewürfelten Haufen Fremder gewöhnt. Als ob wir nie etwas anderes getan hätten, vertrauen wir uns Dinge an, über die ich bisher noch nie auf diese Weise gesprochen habe. Viele kleine-große Schätze, die wir zusammentragen und miteinander teilen. Ich bin ein Teil dieser Gruppe, ich gehöre dazu und ganz entgegen meiner Erwartungen fühlt es sich gut an. In nicht allzu ferner Zukunft wird es sich sogar wie Geborgenheit anfühlen. Da sind Menschen, die mir zuhören und die anfangen zu lachen, wenn ich etwas erzähle, weil sie diese Dinge so gut kennen, dass sie ruhig lachen dürfen, auch wenn es eigentlich gar nicht lustig ist.
Die einzige Nervensäge ist die Oberlehrerin, die mir mit ihrer Konfrontationsneurose auf den Keks geht. Ich erzähle von meinem 7-Tage-Verknalltgefühl und wie schön es ist, wie kostbar. Seit Jahren habe ich das nicht mehr erlebt und die ganze Zeit war ich verfolgt von der Angst, dieses Gefühl nie mehr erleben zu dürfen. Und plötzlich springt es mir so mir nichts, dir nichts ins Herz, dass auch die andere Hoffnung wieder da ist. Dass aus einer Miniverknalltheit auch das ganz Große werden kann. Die Lehrerin lauscht meinen Worten, stampft dann grob und klotzig mit ihren Quadratlatschen auf das zarte Pflänzchen und will wissen, ob ich nicht total verletzt wäre. Ich schaue sie fragend an. Verletzt? Ich bin irritiert. Weil er schließlich nicht in mich verliebt sei, erklärt sie und ich wundere mich nur noch mehr und lasse sie noch ein bisschen reden, weil sie gar nichts versteht. Überhaupt nichts.
Aber die anderen sind einfach gut. Grundverschieden, aber in der Kombination wunderbar und am Ende der Stunde schnappe ich mir die Süße, weil ich für tolle Frauen einfach ein Händchen habe und wir laufen noch eine Stunde nebeneinander her, die Räder schiebend, und reden und reden und hätten wohl noch ewig weiterreden können, wenn nicht andere wichtige Dinge gewartet hätten. Aber die Süsse behalte ich. Dieser mädchenhafte Charme, die grausam-schmerzende Ehrlichkeit, die verzweifelte Suche nach Liebe, der berufliche Zweifel. Vermutlich erkenne ich mich einfach in ihr wieder. Oder ich wäre gerne wie sie. Irgendwie so. Aber ganz egal, denn die ist genau richtig, so wie sie ist und ich bin dort am richtigen Ort, was gut ist. Endlich.
Mittwoch, 16. April 2008
Ich muss mir selbst für meine Taten Rechenschaft ablegen. Einmal an der Gruppe teilzunehmen und alles blöd zu finden, weil die Gefühle im Anschluß schmerzen, reicht nicht als Alibi, um das Projekt komplett abzublasen. Es braucht ein zweites Mal, um mir selbst zu beweisen, dass ich recht habe, mich die anderen nicht interessieren und ich keinen Gewinn an meiner Teilnahme dort herausschlagen kann. Deprigesülze kann ich selbst, da bin ich mittlerweile vom Fach und ich brauche keinen Wettbewerb im Schöner Heulen.
Auch dieses Mal begleitet mich schlimmes Bauchgrummeln vor dem Termin. Aber schon in der Anfangsrunde sagt eine Frau etwas, das auch von mir hätte kommen können, was mich sofort milder stimmt. Anstatt der befürchteten Oberflächlichkeiten über Symptome, sind wir sofort mittendrin im Gespräch über Beziehungen. Ein gutes Thema, das weh tut. Das, was ich schließlich über mich sage, kommt mir anfangs so leicht über die Lippen, bis ich merke, wie drastisch meine Worte klingen, wie schlimm. Aber ich spreche sie trotzdem aus, auch wenn ich mir dabei auf die Innenseiten der Wangen beißen muss, um das Heulen zu unterdrücken. "Du weißt ja, dass du kein Monster bist", sagt die Oberlehrerin leichthin, aber genau der Gedanke ist es, der mich immer begleitet, von dem ich mittlerweile schon zu überzeugt bin, als dass ich darüber lächeln könnte.
Und dann spricht die Süsse, die meine Aufmerksamkeit schon beim ersten Termin gefesselt hat. Sie spricht über ihre Sehnsucht nach Nähe, über ihre Angst vor Nähe, über die Angst vor Ablehnung wegen ihrer Unzulänglichkeiten, dem Gefühl, dem anderen mit sich selbst eine Mogelpackung unterzuschieben. Ach, ich kann sie ja so gut verstehen, so gut, dass ich einen Augenblick dazu verführt werde, zu denken, dass sie über mich spricht. Aber sie ist eine mutige Kämpferin, sie springt über ihren Schatten und spielt volles Risiko und mein Herz pocht ganz schnell, vor lauter Bewunderung und Sehnsucht, weil ich irgendwann auch wieder an diesem Punkt stehen muss und will.
Also gebongt. Das mit der Gruppe. Erstmal.
Montag, 7. April 2008
Die Gruppe wurde heute Realität und der Gang dorthin fiel lange nicht so leicht, wie mein Gespött vor wenigen Wochen. Schon zwei Stunden vor Beginn grummelt mein Magen nervös vor sich hin, habe ich das Gefühl entweder Fliehen oder wahlweise Kotzen zu müssen vor lauter Angst.
Zum Glück sehen die Anwesenden ganz ok aus. Normal irgendwie, so dass man keinem ansieht, dass er bewiesenermaßen ein Kloppi ist. Ich versuche auf die Worte der Obertrulla zu achten, auf die Worte der anderen, einen Sinn zu erfassen, aber hauptsächlich bin ich damit beschäftigt, meine Tränen zurückzuhalten. Wie erwartet fühle ich mich als Außenseiter, ganz in meine eigene Welt verstrickt, die ich mir krankhaft zurechtgezimmert habe. Regeln und Verhaltensweisen, mit denen ich bis heute irgendwie überlebt habe. Aber nicht gut, nein, ganz und gar nicht gut.
Auf Fragen hin kann ich den anderen etwas von mir erzählen, kann ohne zu Heulen ein paar Sätze formulieren, aber alles erscheint so unendlich sinnlos. Es ist zu spät, das weiß ich, ich bin schon viel zu alt, als dass man gutmachen könnte, was über Jahrzehnte kaputtgegangen ist. Ein hoffnungsloser Fall.
Kaum stehe ich zitternd und mit wackligen Beinen wieder auf der Straße rollen auch schon die Tränen. Ich muss jemanden sprechen, denke ich. Jemandem der mir nahe ist von der Gruppe erzählen, von meinen Gefühlen, meiner Angst, meiner Hoffnungslosigkeit. Ich halte mein Handy in der Hand und erst in diesem Augenblick realisiere ich, dass es keinen Menschen gibt, dem ich je davon erzählt habe. Dass ich nie mit irgendwem ehrlich war. Dass meine Freunde wohl das Wesentlichste in meinem Leben nicht von mir wissen.
Vielleicht ist genau dafür eine Selbsthilfegruppe gut. Den Spiegel vorgehalten bekommen und darin zu sehen, wie man sich selbst schamlos ins Gesicht lügt.
Mittwoch, 19. März 2008
Neun Wochen braucht es, um vier Termine hineinzubasteln. Der nächste muss dann auch nochmal drei Wochen warten. Aber klar, das liegt an den Umständen, es ist nichts Persönliches, es liegt einfach an den verdammten Umständen. So ist das im Leben.
Warum drängeln, warum aufregen, wenn man doch vorher jahrelang Zeit verplempert hat. Mit lethargischem Nichtstun. Was sind dagegen ein paar Wochen Wartezeit, wenn man die Freikarte für's Murren-dürfen so leichtsinnig schwermütig in den Wind geschossen hat.
Ich bin nicht sicher, wann ich dem Glauben aufgesessen bin, dass ich ein Recht
Vielleicht handelt es sich in meinem Fall dann doch um Größenwahnsinn.
Dienstag, 18. März 2008
Selbsthilfegruppe. Igitt, was für ein scheußliches Wort. Was soll einem schon in den Sinn kommen, außer einem Haufen gestörter Kloppis, die keine Freunde haben und mit gequälten Mienen vor ihren Wassergläsern sitzen, aufgereiht um einen Ikeatisch in trostloser Umgebung, in dessen Mitte ein Teller mit vertrockneten Aldi-Keksen aus der Blechdose steht. (Na Sie wissen schon, diese mit Hagelzucker bestreuten Brezeln und so, ja genau, die in den kleinen Papierbehältern.) Aber Kekse müssen sein, schließlich will man es sich zusammen ein bisschen nett machen, auch wenn das Thema ernst zu werden verspricht.
Vorstellungsrunde ohne Fluchtweg. Name, Alter und der Grund des Kommens. Natürlich duzen wir uns, schließlich sind wir hier ganz unter uns und schließlich werden wir uns alle ausziehen, früher oder später, also los, los, machen Sie sich bitte mal frei, nur keine falsche Scheu.
Jeder darf, ganz nach Belieben, betroffen in die Runde gucken und alle dürfen zustimmend nicken, denn schließlich ist das Schicksal hart und wir wissen genau was der andere meint, jawohl, wir kennen es alle, weil wir uns damit beschäftigen solange wir denken können. Warum wir dann noch reden müssen? Keine Ahnung.
Die Eine in der Ecke kriegt kaum ihren Namen heraus, es ist schließlich alles so aufregend, ohje, und alle dürfen sich gratis eine Runde fremdschämen. Oder nein, streichen Sie das aus dem Protokoll, denn hier ist nicht der Ort für Scham und Peinlichkeit, hier sind wir Gleiche unter Gleichen und dürfen ganz frei reden, uns frei fühlen und offen sein, ganz offen und den Gefühlen freien Lauf lassen und wenn einem nach Weinen ist, dann weint man eben, weil es hier ein liebevolles Weinen und kein gemeines Heulen und kein Rumgeplärre ist.
Naja, ich hab mich jedenfalls trotzdem bei der Gruppe angemeldet. Dass Sie es nur wissen. Also sagen Sie jetzt bloß nix Falsches.
Freitag, 29. Februar 2008
Leben hat seine Zeit. Sterben hat seine Zeit.
Dienstag, 26. Februar 2008
Unvorbereitet trifft mich ihre Frage wie ein Faustschlag. Die Wiederholung der Frage ist ein Tritt in den Magen, wo eben schon die Faust gelandet ist.
Da wo sonst der kecke Übermut sprudelt, ist Sprachlosigkeit.
Dann Aufstehen, Weitermachen und bloß nicht Nachfragen.
Mittwoch, 13. Februar 2008
Und wo haben Sie ihn kennen gelernt?
In einem SM-Chat.
Nichts dazu gelernt. Wissen was zu tun ist aber dann handeln, als sei da nie der Anflug eines Vorsatzes gewesen. Wie blöd muss man eigentlich sein, wie hirnlos und dämlich, dass man nicht einfach mal die Fresse halten kann und denkt bevor man spricht. Ein hoffnungsloser Fall, wenn Sie mich fragen.
Donnerstag, 31. Januar 2008
Ruhe & Stille
Ausgeglichenheit für den Moment. Viel Gutes für die Seele in den letzten 24 Stunden, trotz Wut, trotz Tränen, trotz Verzweifelung.
Unser zweites Treffen soll eine Entscheidung bringen. Soll ich, soll ich nicht, soll ich...
Ich erzähle wieder und die Frau aus L. fragt nach, redet mehr als beim letzten Mal, was mir gut tut und Sicherheit gibt, schreibt viele Seiten Papier voll und malt dabei wilde Bögen auf ihr Blatt.
"Was ist das Schlimmste, was Ihnen hier passieren könnte?", will sie wissen und ich erzähle von meiner Angst andere zu nerven, zu langweilen, zu belasten und fürchte doch so sehr, dass sie genau dieses Gefühl mir gegenüber hegen wird - irgendwann. Atmen. Dieses Schuldgefühl, eine Zumutung für andere zu sein, sitzt tief. Atmen. "Warum sind Sie denn gerade so traurig", fragt sie leise und ich schlucke schwer und versuche zu fühlen, was da so tief in mir kämpft und ich erzähle ihr von der Schuld die ich empfinde, weil ich meiner Mutter eine so große Belastung bin. Sie hat sich doch damals nur ein Baby gewünscht, ein unschuldiges Kind später und irgendwann eine Erwachsene, die sie respektieren kann. Bekommen hat sie ein Monstrum, an dem sie verständlicherweise ihre Enttäuschung auslässt. Atmen. Es tut mir so leid, dass ich sie enttäuscht habe. Ich verstehe nicht, was so verkehrt an mir ist, dass es nie ausreichend ist, immer kritikwürdig. Deshalb tue ich mir auch selbst leid, weil die zu tragende Schuld so schwer ist und sich in meinem Bauch eine dicke und harte Kugel voller Tränen gebildet hat, die ich jeden Tag schmerzlich spüre.
"Das Symptom", erkläre ich, "ist etwas, worüber ich schwer reden kann". "Wir brauchen nicht viel darüber reden, es sei denn, es beschäftigt Sie." Verwirrt sehe ich sie an, fragend. "Sprechen Sie aus Erfahrung?", will ich wissen und sie nickt und erklärt, dass es nicht um das Symptom geht, denn das wir besser werden. Es geht um Gefühle, "da drin", sagt sie und klopft sich mit der Hand auf ihr Herz. Ja, denke ich, die ist es.
Ich möchte wissen was Frau aus L. über mich denkt, über das, was ich ihr vor knapp zwei Wochen und heute erzählt habe. Ob es ihr zu schlimm ist. "Glauben Sie, dass ich ein unheilbarer Fall bin?", presse ich mühsam hervor und sie lächelt und schüttelt den Kopf. "Naja, das müssen Sie ja jetzt sagen, das ist schließlich Ihr Job," gebe ich zurück und muss ein bisschen grinsen und sie lacht leise und redet dann mit guten und bedachten Worten zu mir, die ihren Weg in mein Herz und meinen verdammten Kopf finden.
Auf dem weiten Weg zur S-Bahn lasse ich die Tränen laufen und es fühlt sich gesund an. Es ist nur ein minimaler Teil von denen, die noch folgen müssen. Aber es ist ein Anfang.
Ruhe & Stille
Ausgeglichenheit für den Moment.
Viel Gutes für die Seele in den letzten 24 Stunden, trotz Wut, trotz Tränen, trotz Verzweifelung.
[Edit: Nur Formulierungskram]
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