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Freitag, 4. Juli 2008
Das Mantra des Tages: Ein Arbeitstreffen ist ein Arbeitstreffen ist ein Arbeitstreffen. Da braucht man gar nicht nervös zu sein. Aber mittlerweile scheint es, als könnte mein Herz nun, wo sich mein Kopf gegen ihn entschieden hat, erst so richtig aufdrehen. Dabei brauche ich doch eigentlich einen Mann, mit Gefühlsfetisch und ausgeprägten Rede- und Zuhörbedürfnis. Dass er beides nicht hat, weiß ich längst.
Nach der Arbeit warte ich im Café auf ihn, tippe währenddessen eine SMS an Mimi, die prompt antwortet und "viel Spaß mit dem Ex" wünscht. Als wir uns dann begrüßen, als wir reden, zusammen lachen, zusammen planen und uns schließlich noch einen Teller mit arabischen Spezialitäten teilen, ist alles wieder gut, sind die drei Wochen ohne Kontakt fix unter den Teppich gekehrt. Alle Vernunft und alle guten Vorsätze sind vergessen und ich sage sofort zu, als er vorschlägt, dass wir uns auf jeden Fall einmal pro Woche treffen sollten. Außerdem ist in der nächsten Woche ein Zusatztermin mit Spaßfaktor angesagt. Klar, ich bin dabei.
Es fühlt sich einfach gut mit ihm an. Er strahlt eine solide Vernunft aus, die mir für den Moment erstrebenswert erscheint. Er wirkt immer geordnet, vorbereitet, verlässlich. Ich dagegen bin konfus, vergesse Dinge, lasse meinen Kram irgendwo liegen, verspreche in der Eile Sachen, die ich dann nicht halten kann und lasse mich von meinen Stimmungen beeinflussen. Er ist ein Macher, immer aktiv, immer in Bewegung, immer am Planen, hat tolle Ideen und ist Garant für eine positive Beständigkeit. Vielleicht ist es dieser Perfektionismus, der mein Herz ruhiger schlagen lässt. Vielleicht ist es auch die Gewissheit, dass wir uns in den nächsten Monaten regelmäßig sehen werden. Egal. Solange das Herz im Takt schlägt.
Mittwoch, 2. Juli 2008
Der Szenetreff tagt an einem hitzigen Sommerabend. Dieses Mal gehe ich allein und mit dem festen Vorsatz, fremde Menschen anzusprechen. Männer am besten, denn ich brauche ein bisschen Übung. Obwohl ich dort nicht viele Menschen kenne, fühle ich mich sicher, habe keine Scheu, sondern kann dem einen oder anderen einen zweideutigen Blick zuwerfen und frech in die Menge grinsen. Gestern noch Trübsal geblasen, heute schon wieder obenauf.
Während ich mich mit zwei Freunden unterhalte, wandert mein Blick über die fremden Köpfe und bleibt unvermittelt an zwei lachenden braunen Augen hängen, die mich aus der Menge anstrahlen. Mr. Sweet. Ich sehe das breite Grinsen, eine Hand, die mich heranwinkt und schließlich zwei Arme, die sich mir zur Begrüßung entgegenstrecken. "Vier Jahre habe ich dich nicht gesehen", raunt er mir beim Drücken ins Ohr, "du hast keine meiner Emails mehr beantwortet, freches Luder!" Ich schaue verlegen zu Boden und dann muss ich ihn noch einmal ganz fest drücken. Wiedersehensfreude.
Mr. Sweet ist ein hübscher Kerl. Er ist einer von denen, der sowohl Frauen als auch Männern ruckzuck den Kopf verdrehen kann. Charme und Witz sind bei den meisten Menschen ein Dauerbrenner. Als wir uns kennen lernten, hatte ich die dunkle Seite gerade erst in mir entdeckt und war furchtbar aufgeregt und voller Vorfreude darauf, was in der Zukunft alles noch auf mich warten würde. Er und seine Freundin gewährten mir einen Blick in ihr Leben und ich grinste und wollte genau das, von dem sie erzählten. Wir sahen uns sporadisch, fast immer zufällig, mal bei einem Szenetreff, mal bei einer der dunklen Partys oder in einer der einschlägigen Kaschemmen. Jahre später saß ich dann bei ihm in der Wohnung und er ließ mich auf seinem Rechner zwischen seinen Schmuddelbildchen und -filmchen herumstöbern und wir lachten und verzogen von Zeit zu Zeit angewidert-grinsend die Gesichter. Er zeigte mir die Haken an seinem Bett, sein Outfits, sein Spielzeug und ich liebte ihn für seine Offenheit, seine unkomplizierte Art und die Nähe, die zwischen uns entstand. Manchmal waren wir kurz davor. Und dann scherzten wir schnell darüber, dass wir ja erst würden losen müssen, wer unten spielen darf.
Neben ihm auf dem Sofa fühle ich mich gut und sicher. Wir sitzen eng beieinander, so dass sich unsere Schultern und Beine berühren. Sein Arm liegt hinter meinem Rücken auf der Lehne und von von Zeit zu Zeit fühle ich seine Hand an meiner Schulter und die Nähe zu ihm ist süß und verlockend. Wir reden und reden, erzählen aus unserem Leben und es kommt mir vor, als lägen keine Jahre zwischen unserem letzten Treffen, sondern höchstens ein paar Wochen. Wir reden über Liebe und Sex und er versprüht mit seinem jungenhaften Charme die Lust an der unkomplizierten Einfachheit. "Stell ein Bild in dein Profil, schreib was du haben willst und dann lass ein paar Jungs bei dir antanzen." Seine Anleitung bringt mich zum Lachen und wir wissen beide, dass er es genau so machen würde. An meinem Patentrezept muss ich noch ein bisschen feilen.
Es ist spät in der Nacht, als die Bedienung uns bittet zu gehen. Wir laufen die dunkle Straße entlang zum Taxistand und verabreden uns für die kommende Woche. Bilder gucken, Links vergleichen, Filme tauschen. Beim Abschied blickt er auf das Fahrrad zwischen uns, grinst mich an und geht um das Rad herum, um mich zur Verabschiedung richtig in den Arm nehmen zu können. Guter Junge.
So ist das Leben. Voll von Abschieden und Wiedersehen.
Dienstag, 1. Juli 2008
Leise trete ich durch die Tür und stelle mich schweigend hinter das kleine Mädchen. Wir blicken beide in den Spiegel, sehen uns an, aber ich bin nicht sicher, ob sie mich erkennt. Wir lächeln uns an, bis das Kind auflacht, sich umdreht, ich ihr instinktiv die Arme entgegenstrecke und sie an mir hochspringt. Sie schlingt ihre dünnen Ärmchen um meinen Hals, die Beine um meine Taille und verschränkt die Füße hinter meinem Rücken. Ihr Kopf liegt an meinem, während sie mich drückt und ich ihr mit der Hand langsam über ihren Rücken streiche. "Ich passe auf dich auf", flüstere ich ihr leise ins Ohr und wünschte, es wäre mir möglich. "Ich werde dich vor allem Unheil bewahren", will ich eigentlich sagen, aber das geht nicht, denn es wäre eine Lüge, an die ich mich vielleicht später erinnern würde. Ich drücke sie an mich, ganz fest und lange, bis ich wieder Abschied nehmen muss, denn jede von uns muss wieder zurück in ihre eigene Welt, sie in die Vergangenheit und ich in die Gegenwart, auch wenn es unser gemeinsames Leben ist.
Montag, 30. Juni 2008
Der Wasserfrosch, Rana esculenta, springt bei Gefahr in typischer Wasserfroschmanier mit einem weiten Satz ins Wasser und verbirgt sich im Schlamm. Der Schlaukopf.
Ich bin kein Gruppentyp und auch nach Jahren hat sich das nicht geändert. Partys machen mir nur dann Spaß, wenn ich mindestens ein Drittel der anwesenden Personen kenne und mag, ansonsten lähmt mich die Fremdheit der Situation. Ich kann einfach diesen ersten Schritt nicht machen und deshalb sitze ich da, versuche zu lächeln und rede den ganzen Abend über mit der einzigen Person die ich kenne. Am Ende der Nacht bin ich genervt von mir selbst, von der Scheu, die ich nicht überwinden kann, obwohl ich zumindest einen guten und harmlosen Grund gehabt hätte, jemanden anzusprechen. Aber ich saß nur da, wippte mit dem Fuß zur Musik und beobachtete die glücklichen Menschen um mich herum, die lachten und Spaß hatten, die sich küßten und zusammen tanzten, die rauchten, aßen und tranken und eine gute Zeit hatten.
Ich bin kein Partytyp und werde es nie sein. Da sollte ich jetzt wohl kaum enttäuscht sein. Hätte ich es nur gemacht wie der Wasserfrosch, zu dessen Abbildung mein Blick den Abend über immer wieder wandert. Ab in den Schlamm, am besten kopfüber, und dann totstellen.
Freitag, 27. Juni 2008
Am nächsten Mittwoch sehen wir uns wieder, der ehemalige Lieblingskollege und ich. Dann sind genau drei Wochen seit unserem letzten Treffen vergangen. Drei ganze Wochen, 21 vermaledeite Tage. Viel Zeit, wenn man zuvor viele Stunden gemeinsamen verbracht hat.
All unsere Verabredungen gingen von ihm aus und als ich dann einen Vorschlag machte, wollte er nicht. Wollte gar nicht mehr.
"Soll ich ihn fragen was los ist?", frage ich Mimi, die verneinend den Kopf schüttelt. Ich seufze schwer. "Bestimmt denkt er sich gar nichts dabei", meint Mimi und ich glaube ihr, weil der Mensch ein Mann ist und noch dazu die häufig vorkommenden geschlechtsspezifischen emotionalen Defizite aufweist. "Schon deswegen willst du ihn nicht, stimmt's?", fragt Mimi scheinheilig in ihrem vernünftigen Erwachsenentonfall und ich nicke. Aber das Herz. Ach, das Herz.
Wir werden zusammen lernen. Uns gemeinsam etwas erarbeiten. Uns helfen, wenn wir allein nicht weiterkommen und nachher stolz sein, weil wir viel geleistet haben. Das ist für ihn gut und für mich gut, rein beruflich gesehen. Und wenn ich das Herz bis Mittwoch komplett zur Vernunft bringen kann, taugt die ganze Angelegenheit vielleicht auch noch zu einer guten Bekanntschaft. Herrje.
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