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Montag, 21. Juli 2008
Als Maßnahme gegen den Wochenendblues habe ich die Lerngruppe mit dem Exkollegen unauffällig auf den Sonntag geschoben. Immer schön im Wechsel: einmal bei ihm und einmal bei mir. Wenn das Kind mit von der Partie ist, bleibt nicht viel Zeit zum Lernen, denn dann geht das kollektive Spielen vor. Eigentlich mache ich das auch viel lieber, baue die Briobahn zusammen, schaue Bilderbücher an und tobe durch die Wohnung.
Was also brauche ich für einen wohltuenden Sonntag?
Zwei Männer, Buddelzeug, Spielplatzlaune, Klettergeräte, Rutschbahn, Sand, Steine, Hölzer, Stöcker, echten Kuchen mit vielen Schokostückchen darin und Kaffee in Pappbechern vom Café gegenüber.
Zur Ruhe kommen und durchatmen. Das geht wohl besonders gut mit lautem Kindergeschrei, Sand in Schuhen und Haaren und der unermütlichen Aufforderung nach "mehr, mehr" ("höher, höher" / "weiter, weiter"). Auf dem Weg nach Hause fallen leichte Regentropfen und der Wind fährt mir durchs Haar, als wäre längst der Herbst angebrochen. Eine milde, etwas melancholische Ausgeglichenheit begleitet mich bis in den späten Abend.
Ein Hoch auf den alltäglichen Familienkram, an dem sie mich teilhaben lassen und auf klebrige Patschhände im Besonderen.
Sonntag, 20. Juli 2008
Ich brauche feste Termine, damit ich planen kann. Zur Sicherheit. Zur Orientierung. Selten kann ich spontan sein, kann es ertragen, wenn nicht genau feststeht: passiert / passiert nicht. Diese Unsicherheit zermürbt mich, weil sie in meinem Kopf ein ständiges Schwanken auslöst, ein Taumeln zwischen zwei Möglichkeiten, die ein Schwindelgefühl hervorrufen.
Termine machen heißt, am Morgen aufzuwachen und zu wissen, was der Tag bringen wird. Zumindest in groben Zügen. Nicht zu wissen was kommt, heißt warten. Und im Warten war ich noch nie gut. Nein, ganz im Gegenteil. Das Warten zehrt an meinen Nerven, noch bevor die Zeit herum ist, weil ich mich nicht geduldig beschäftigen kann, bis feststeht was nun passiert.
Es ist Seegang. Aber nicht mehr lange.
Samstag, 19. Juli 2008
No more mind games.
Clear the decks for action.
Aufatmen.
Glücklichsein.
Festhalten.
Donnerstag, 17. Juli 2008
Don't ever tell anybody anything.
If you do, you start missing everybody.
(J.D. Salinger. The Catcher in the Rye)
If you do, you start missing everybody.
(J.D. Salinger. The Catcher in the Rye)
Es war ein matschiger Winterabend, als ich mich mit zwei Freundinnen durch die Nacht trank. Der hochprozentige Alkohol ging bereits zur Neige und jede von uns formulierte eine Kontaktanzeige für die Rubrik "Suche Mann". Einfach zum Spaß und weil der Kleinanzeigenteil des Stadtmagazins über Jahre hinweg zu unserer Lieblingslektüre gehörte. Ein paar Wochen später lag ein dünner Briefumschlag auf meiner Fußmatte, der lediglich meine Annonce in Printform enthielt. "Suche erwachsen gewordenen Holden Caulfield", stand da samt Chiffrenummer und ich begann erst zu lachen, dann zu zittern und dann beschloss ich, einfach abzuwarten.
Die Reaktion auf die Anzeige war fantastisch. Am besten gefiel mir der Brief eines erfahrenen Entenfütterers, der sich als ausdauernder Karussellfahrer anpries und mit mir bei einem Cocktail über Hollywood philosophieren wollte. Letztlich fand unser erstes Date im Naturkundemuseum statt, wo wir die verdammten Dinosaurier bestaunten und von einer Kindheitsanekdote zur nächsten stolperten. Mir gefielen seine braunen Augen, sein Humor und seine tollen Nachbarn. Die Liebe hielt zwei Jahre, der Sex drei und die Freundschaft überdauerte beides.
Heute lebt der Entenfütterer am anderen Ende der Welt. Jahre sind vergangen, in denen wir nichts voneinander gehört haben. "Bin zwei Tage in der Stadt. Lass uns treffen," schreibt er in einer eMail und mein Herz macht einen kleinen Freudenhüpfer und zählt die Stunden bis zu unserem Wiedersehen. Es ist, als wäre es gestern gewesen, auch wenn viel passiert ist in unseren Leben. Wir reden und reden. Über Hochzeit & Scheidung, unsere Jobs, der Krankheit seines Kindes, meiner Traurigkeit und der Wende am Jahreswechsel. Und dann erzählen wir von früher. Von unseren Erinnerungen, von Gedankenfetzen und kleinen Herzstichen. Es ist schön mit ihm, vertraut. Dieses Vertrauen, das man mit Menschen teilt, mit denen man eine intensive Zeit verbracht hat. Die mit der eigenen Geschichte für immer verbunden sind. Wenn ich ihm ins Gesicht sehe, wenn ich ihm zuhöre oder ihm beim Lachen beobachte, weiß ich genau, was mich damals so sehr fasziniert hat, dass ich mich in ihn verliebt habe.
Als wir auseinandergehen, verabreden wir uns in seiner Stadt. Am anderen Ende der Welt.
Mittwoch, 16. Juli 2008
Mr. Sweet betritt meine Wohnung und schaut sich um. Er macht ein paar Schritte auf die Wand zu, beugt sich vor und sieht die mit Wäscheklammern an einer Metallschnur befestigten Fotos, Einladungen, Visitenkarten und Bilder an. "Mit Häubchen und Schürze, wie süß", sagt er und wir lachen über mein Lieblingsfoto. Mein Exfreund hat es am Silvesterabend 2002/03 gemacht. Der H. hat besitzergreifend seinen Arm um mich gelegt, während ich verschmitzt mädchenhaft in die Kamera grinse. Die Erinnerung kann ich im Bruchteil einer Sekunde abrufen. Damals fühlte sich alles gut und richtig an und ich sprühte nur so vor Energie und Abenteuerlust. Aber nichts ist für die Ewigkeit.
Mr. Sweet und ich sitzen uns gegenüber und versuchen ein Gespräch in Gang zu bringen. Wir trinken Mädchenbier, während wir Weißbrot in Balsamicoessig dippen und uns Schafskäse, Tomaten und Oliven schmecken lassen. Ich bin verkrampft, mir ist alles zu eng. Ich will nichts von Mr. Sweet und habe das Gefühl, ihm mit diesem Besuch, dieser erlaubten Nähe, ein Versprechen gegeben zu haben.
Er rückt zu mir und zieht meine kalten Füße in seinen Schoß. In mir sträubt sich alles gegen diese Berührung, gegen seine Finger, die sanft meine Haut streicheln. Trotzdem mag ich nicht einfach wegziehen, mag nicht schroff sein, will, dass alles einfach und gut ist. Freunde sein, nichts weiter.
Als ich den restlichen Käse zurück in den Kühlschrank stelle und die Teller abräume, tritt er hinter mich und legt seine Arme um meine Taille. "Ich könnte mir vorstellen..." beginnt er leise in mein Ohr zu flüstern und ich drehe meinen Kopf verlegen zur Seite, will nichts hören, will nichts sagen, will mich am liebsten in Luft auflösen. Sprich nicht weiter, denke ich im Stillen, bitte, aber er hört mich nicht und beschreibt stattdessen eine Situation, die ich mir nicht ausmalen, die ich nicht erleben will. Er streicht sacht über meinen Rücken. Ich will nicht angefaßt werden, nein, ich will nicht berührt werden. Lass mich in Ruhe, denke ich ganz laut und jetzt scheint er mich gehört zu haben, denn er sucht seine Sachen zusammen und verabschiedet sich, ohne mich noch einmal anzufassen.
Mr. Sweet, es tut mir so leid. Ich wünschte, ich könnte einfach mitspielen, würde die Aufregung und das Neue genießen, anstatt stocksteif und voller Entsetzen zu versteinern. Es passt nicht, es geht nicht, obwohl du so ein toller Mensch bist. Hübsch und klug und witzig. Aber ich kann nicht. Ich kann einfach nicht.
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