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Mittwoch, 18. Februar 2009
Mr. Evil ist seit unserem Treffen im letzten Jahr wieder fester Bestandteil in meinem Leben. Wie früher schon variieren unsere Gespräche nur in dem Punkt, dass die handelnden Personen wechseln, das Thema ist immer dasselbe. Er erklärt mir die Männer, ich ihm die Frauen, falls wir nicht gerade damit beschäftigt sind, uns wegen eben jenen gegenseitig zu trösten.
In der Kneipe hört er sich die Sache mit dem Christdemokraten an, lässt mich in Ruhe erzählen, während ich am liebsten im Boden versinken will. Als ich zum Ende komme, schaue ich ihn abwartend an. "Was für ein Arschloch", sagt er langsam und kopfschüttelnd, "was für ein Arschloch." Wir schweigen lange, denn schon beim Erzählen hat meine zitternde Stimme gezeigt, wie sehr mir dieses Erlebnis zugesetzt hat. Leise füge ich noch hinzu, dass ich lange, sehr lange, keinen Sex gehabt habe. Mit zusammengekniffenen Augen schüttelt Mr. Evil den Kopf. Ich fahre fort und gebe zu, dass die betäubenden Magenschmerzen am Vortag vielleicht auch daher rührten. Er starrt mich ungläubig an, möglicherweise, weil dieser Zusatz die Katastrophe noch um ein Vielfaches verschlimmert. "Was für ein Riesenarschloch", sagt er schließlich mit tiefer Stimme, nimmt meine Hände fest in seine, während seine himmelblauen Augen böse blitzen. Seine Anteilname tut mir gut, sie ist echt und freundschaftlich. Anschließend schimpft er lange und ausdauernd, analysiert und erklärt und kommt immer wieder auf den Punkt. Er weiß genau, dass seine Worte eine Weile brauchen, bis sie bei mir ankommen, dass ich diesen Mann wirklich abhaken und dafür mantramäßig immer wieder die Situation in Gedanken vorbeiziehen lassen muss.
Später stapfen wir vorsichtig durch die dunklen, verschneiten Straßen, schweigend, ich bei ihm eingehakt. Wir reden über das Verlassenwerden, über Einsamkeit, über Verzweifelung. Bei ihm angekommen hören wir ungefähr 27 Mal Ne me quitte pas von Jacques Brel und überlegen, ob wir ein bisschen zusammen weinen sollen, entscheiden uns dann aber dagegen. "Turn mir lieber was vor", sagt er stattdessen und ich tue es. "Wow", sagt er dann vollkommen erstaunt "du bist wie eines dieser Mädchen aus den Flexigirl-Pornos." Ich stehe auf dem Kopf und habe große Mühe, beim Lachen das Gleichgewicht zu halten. Mr. Evil ist tatsächlich fasziniert und überzeugt, dass diese Verrenkungen sein neuer Fetisch werden müssen. Was folgt, ist ein Abend, der mich ablenkt von den Geschehnissen am Tag zuvor, der mich auffängt und mir Spaß macht, denn wie zwei Kinder kämpfen und balgen wir miteinander, kichern und scherzen. Am Ende bin ich erschöpft, mir tut mir der Hintern weh und mein Haar ist nass von Bier und vollkommen verdreckt, weil ich mit dem Kopf über den halben Boden gezogen worden bin. "Komm ins Badezimmer, du versiffte Neuköllner Pennerbraut, ich wasche dir die Haare", sagt er grinsend, nimmt mich bei der Hand und zieht mich zur Badewanne. Ziemlich gekonnt schäumt er mein Haar ein, massiert meine Kopfhaut und erzählt mir dabei von seinem neuen Job. Dann spüre ich seine Hand im Genick und das eiskalte Wasser, das er mir in Augen, Nase und Mund spritzt, bis ich anfange zu husten. "Vollidiot", kreische ich, als ich wieder Luft kriege und muss schon wieder lachen, kann kaum mehr damit aufhören, huste und pruste, werfe mit einer Hand die Shampooflasche nach ihm, während ich mit der anderen versuche das komplett durchnässte Shirt über meinen Kopf zu ziehen. "Ich bin der Udo Walz der SM-Szene", sagt er mit gezierter Stimme und ich kichere schon wieder los und bin einfach froh, bin erleichtert und glücklich, weil der schwere Klumpen in meinem Magen spürbar kleiner wird.
Spät in der Nacht, nach Pizza und Salat, liegen wir nebeneinander im Bett, eingekuschelt in seine Bettdecke. Ich bin satt, zufrieden und müde und es scheint, als hätte ich alle Traurigkeit einfach weggelacht. Mr. Evils Arm liegt quer über meinen Körper gestreckt, seine Hand auf meinem Hüftknochen. Es ist das erste Mal seit weit über 24 Stunden, dass ich ein Gefühl von Ruhe empfinde, obwohl diese Situation alles andere als gewöhnlich ist. Bevor ich gänzlich einschlafe, spüre ich seine Hände, die ganz sacht und zart meinen Körper entlangstreichen, über meine Taille, über die Rippen zur Brust und mein erster Impuls ist Abwehr, obwohl es sich warm, weich und gut anfühlt. Ich brauche kaum Mühe aufbringen, um den Kopf auszuschalten und einfach nur zu spüren, mich fallen zu lassen, weil ich hier sicher bin, weil nichts passieren kann, weil er niemals gehen würde, weil er mein Freund ist.
Am nächsten Morgen ist alles heiter und still. Wetter & Gemüt. Der Himmel ist wolkenlos klar und unverschämt blau, während die Sonne ihre Strahlen auf die Erde schickt um meine kalten Wangen zu wärmen. Ich versuche nicht zu denken, nicht zu bewerten und schon gar nicht zu bereuen, aber ich nehme mir vor, einen Schritt langsamer zu gehen. Schließlich muss man bei dem Gerenne ja irgendwann ins Stolpern kommen.
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